Verfahrensgang
SG Koblenz (Urteil vom 28.09.1995; Aktenzeichen S 1 Ar 419/95) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 28.9.1995 aufgehoben und die Klage abgewiesen, soweit darin der Bescheid vom 31.3.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.7.1995 aufgehoben wurde.
Im übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
2. Der Bescheid vom 13.11.1995 wird aufgehoben.
3. Die Beklagte trägt 1/3 der außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen die Aufhebung ihres Sperrzeitbescheids und ihre Verurteilung zur Zahlung von Arbeitslosengeld [Alg] für die Zeit vom 1.2. bis 24.4.1995.
Der 1946 geborene, schwerbehinderte Kläger arbeitete seit 1980 als Betriebsleiter im Außendienst bei der Fa N. GmbH & Co KG. Für seine Tätigkeit war ihm ein firmeneigenes Fahrzeug zur Verfügung gestellt worden. Am 5.8.1994 schloß er mit seiner Arbeitgeberin einen Aufhebungsvertrag mit Wirkung zum 31.1.1995, weil ihm wegen eines Verstoßes gegen die StVO die Fahrerlaubnis im Mai 1994 für 14 Monate entzogen worden war.
Mit Wirkung zum 1.2.1995 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte Alg. Dabei gab er an, seine Arbeitgeberin habe das Arbeitsverhältnis in jedem Falle beenden wollen; auch ohne den Abschluß eines Aufhebungsvertrags wäre ihm gekündigt worden. Seine Arbeitgeberin sei nicht mehr bereit gewesen, für die Dauer des Führerscheinentzugs einen von ihm für seine Fahrten bezahlten Fahrer zu akzeptieren, wie dies 1991 bei seinem ersten Führerscheinentzug der Fall gewesen sei. Mit Schreiben vom 21.2.1995 hat die Fa N. bestätigt, daß dem Kläger auch ohne Abschluß eines Aufhebungsvertrags gekündigt worden wäre und dabei auch eine fristlose Kündigung in Erwägung gezogen worden sei.
Mit Bescheid vom 17.3.1995 bewilligte die Beklagte Alg ab dem 26.4.1995 in Höhe von 721,20 DM wöchentlich für 500 (572 gemindert um 72) Leistungstage. Mit einem weiterem Bescheid vom 31.3.1995 stellte sie für die Zeit vom 1.2. bis 25.4.1995 (12 Wochen) eine Sperrzeit fest. In dieser Zeit ruhe der Anspruch auf Alg. Gleichzeitig mindere sich die Anspruchsdauer um 72 Tage. Der Leistungsbezug endete infolge der Abmeldung des Klägers am 31.8.1995.
Gegen beide Bescheide erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend, daß er vor Abschluß des Aufhebungsvertrags anwaltlichen Rat eingeholt habe. Sowohl der Rechtsanwalt als auch seine Arbeitgeberin hätten ihm versichert, daß der Abschluß des Aufhebungsvertrags keine negativen Auswirkungen auf seinen Alg-Anspruch habe. Da ihn seine Arbeitgeberin nur vor die Alternative gestellt habe, entweder Abschluß eines Aufhebungsvertrags oder arbeitgeberseitige Kündigung, sei der Eintritt einer Sperrzeit nicht gerechtfertigt.
Am 30.6.1995 erließ die Beklagte einen „Änderungsbescheid”, mit dem sie die Leistungsdauer des Alg-Anspruchs ab dem 26.4.1995 mit nur 429 Leistungstagen feststellte. Mit Widerspruchsbescheid vom 4.7.1995 wies sie den Widerspruch des Klägers zurück. Durch den Abschluß des Aufhebungsvertrags sei eine zwölfwöchige Sperrzeit eingetreten, die die Dauer des Alg-Anspruchs in Höhe von 572 Leistungstage aufgrund der Neuregelung in § 110 Nr. 2 AFG um 1/4 (143 Tage) auf 429 Tage gemindert habe.
Am 20.7.1995 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht [SG] Koblenz erhoben. Mit Urteil vom 28.9.1995 hat das SG die Bescheide vom 31.3.1995 und 30.6.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.7.1995 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Alg für die Zeit vom 1.2. bis 25.4.1995 zu zahlen. Der Kläger habe zwar durch Abschluß des Aufhebungsvertrags seine Arbeitslosigkeit herbeigeführt, weil ihm arbeitgeberseitig frühestens zum 28.2.1995 hätte gekündigt werden können. Der Kläger habe jedoch nicht grob fahrlässig gehandelt, weil er vor Abschluß des Aufhebungsvertrags die Auskunft eines Anwalts eingeholt und dieser ihn falsch beraten habe.
Gegen das ihr am 19.10.1995 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 8.11.1995 Berufung eingelegt.
Mit Bescheid vom 13.11.1995 hat die Beklagte ihren Alg-Bewilligungsbescheid vom 17.3.1995 für die Zukunft gemäß § 45 SGB X zurückgenommen, soweit dem Kläger ab dem 26.4.1995 für mehr als 429 Tage Alg bewilligt worden sei. Das öffentliche Interesse an der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands sei vorrangig, weil bei dem Kläger, der am 31.8.1995 den Leistungsbezug beendet habe, keine wirtschaftliche Notsituation eintrete.
Die Beklagte trägt vor: Der Kläger habe seine Arbeitslosigkeit durch den Aufhebungsvertrag grob fahrlässig herbeigeführt, selbst wenn er davon ausgegangen sein sollte, eine Sperrzeit trete nicht ein.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Koblenz vom 28.9.1995 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und den Bescheid vom 13.11.1995 aufzuheben.
Er trägt vor: Er sei durch den Rechtsanwalt H. K. falsch beraten worden. Diesem verkünde er vorsorglich den Streit. Dessen falsche Auskunft schließe grobe Fahrlässigkeit aus. Im üb...