Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Sperrzeit. Aufhebungsvertrag. Abfindung. Ruhen. Minderung der Anspruchsdauer
Orientierungssatz
1. Eine Sperrzeit nach § 119 Abs 1 S 1 Nr 1 AFG und Minderung der Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld tritt auch dann ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis durch Aufhebungsvertrag vorzeitig beendet und der Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen Zahlung einer Abfindung nach § 117 Abs 2 AFG bis zu dem Zeitpunkt ruht, zu dem er auch ohne eigenes Zutun arbeitslos geworden wäre.
2. Der Arbeitslose schafft durch sein Verhalten - Vorziehen des Beendigungszeitpunktes des Beschäftigungsverhältnisses und damit des Eintritts der Arbeitslosigkeit - für die Versichertengemeinschaft das Risiko, von ihm vorzeitig und zusätzlich auf Leistungen in Anspruch genommen zu werden.
Tatbestand
Streitig ist die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg).
Der 1957 geborene Kläger war vom 03.09.1973 bis 30.09.1993 als Technischer Zeichner/Betriebsmittelkonstrukteur bei der Fa. H in N beschäftigt. Er erzielte zuletzt ein Brutto-Monatsentgelt in Höhe von DM 5.144,--. Sein Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen mit Schreiben vom 27.05.1993 zum 31.12.1993. Die Kündigungsfrist betrug sechs Monate zum Vierteljahresschluß. In dem Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Stuttgart (Az. 24 Ca 6603/93) einigten sich der Kläger und sein Arbeitgeber auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.1993 bei Zahlung einer Abfindung in Höhe von DM 60.000,--, zahlbar bis 30.10.1993 (gerichtlicher Vergleich vom 10.09.1993). Der Arbeitgeber hatte dem Kläger ursprünglich im Zusammenhang mit der betriebsbedingten Kündigung zum 31.12.1993 eine Abfindung gemäß dem mit dem Betriebsrat vereinbarten Sozialplan in Höhe von DM 39.194,-- angeboten.
Am 16.09.1993 meldete sich der Kläger bei der Beklagten (Arbeitsamt Konstanz) arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg.
Mit Bescheid vom 08.02.1994 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen (01.10. bis 23.12.1993), das Ruhen des Alg-Anspruches während dieser Zeit und die Minderung der Anspruchsdauer um 72 Tage fest. Zur Begründung führte die Beklagte aus, der Kläger habe einem Aufhebungsvertrag zugestimmt und dadurch das Arbeitsverhältnis selbst gelöst, obwohl ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar gewesen sei.
Mit weiterem Bescheid vom 08.02.1994 stellte die Beklagte aufgrund der gewährten Abfindung das Ruhen des Alg-Anspruches für die Zeit 01.10.1993 bis 23.03.1994 fest. Mit Bescheid vom 11.02.1994 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 24.03.1994 Alg mit einer Anspruchsdauer von 240 Tagen.
Gegen beide Bescheide vom 08.02.1994 erhob der Kläger am 04.03.1994 Widerspruch mit der Begründung, mit dem Ruhenszeitraum 01.10.1993 bis 23.03.1994 sei er nicht einverstanden, denn das Arbeitsverhältnis hätte ohnehin zum 31.12.1993 geendet. Für die vorzeitige Beendigung zum 30.09.1993 statt 31.12.1993 habe er zu der bereits vorgesehenen Abfindung in Höhe von DM 39.194,-- zusätzlich DM 20.806,-- erhalten. Sein Alg-Anspruch ruhe daher längstens bis zum 31.12.1993. Mit Schreiben vom 17.03.1994 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß dem Widerspruch wegen des Ruhens des Leistungsanspruches im Zusammenhang mit der Gewährung einer Abfindung abgeholfen werde und der Anspruch nunmehr bis 31.12.1993 ruhe. Ferner bat die Beklagte den Kläger, nachdem er seinen Widerspruch gegen die Sperrzeitentscheidung bislang nicht begründet habe, um Mitteilung, ob er den Widerspruch zurücknehme, da sein Leistungsanspruch wegen der Abfindung ohnehin bis 31.12.1993 ruhe.
Der Kläger antwortete der Beklagten nicht. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.04.1994 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die Sperrzeitentscheidung zurück.
Mit Bescheid vom 28.03.1994 hatte die Beklagte zuvor das Ruhen des Alg-Anspruches wegen Gewährung einer Abfindung nunmehr für die Zeit vom 01.10. bis 31.12.1993 festgestellt.
Mit weiterem Bescheid vom 29.03.1994 hatte die Beklagte dem Kläger ferner ab 01.01.1994 mit einer Anspruchsdauer von 240 Tagen Alg bewilligt.
Dagegen erhob der Kläger am 15.07.1994 bei der Beklagten mit der Begründung Widerspruch, die Anspruchsdauer müsse ab 01.01.1994 312 Tage betragen. Gleichzeitig beantragte er die Überprüfung des Sperrzeitbescheides vom 08.02.1994 gemäß § 44 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X).
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.07.1994 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Sperrzeitentscheidung sei bindend geworden, da der Kläger keine Klage erhoben habe. In diesem Bescheid vom 08.02.1994 sei dem Kläger auch ausdrücklich mitgeteilt worden, daß sich durch die Sperrzeit die Anspruchsdauer um 72 Tage mindere.
Den Antrag auf Überprüfung der Sperrzeitentscheidung gemäß § 44 SGB X lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 28.07.1994). Zur Begründung des Rücknahmeantrages hatte der Kläger noch vorgetragen, aufgrund der gewährten Abfindung habe der Anspruch auf Alg zutreffend bis zum 31.12.1993 geruh...