Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse. Abgrenzung zu § 45 SGB 10. Rechtmäßigkeit bzw Rechtswidrigkeit des Ausgangsbescheides zum Zeitpunkt seines Erlasses. Ankündigung einer voraussichtlichen Änderung. Information über den Abschluss eines Ausbildungsvertrages. keine wesentliche Änderung im Rahmen des Leistungsbezuges nach dem SGB 2
Leitsatz (amtlich)
Für den SGB 2-Leistungsträger besteht vor dem tatsächlichen Eintritt einer (voraussichtlichen) Änderung von für die Leistungsgewährung relevanten Tatsachen (hier: Ankündigung der Aufnahme einer Beschäftigung) noch kein Anlass, einen für die Zukunft bereits erlassenen Bewilligungsbescheid den möglichen zukünftigen Tatsachen anzupassen. Dementsprechend ist es ihm nach Kenntnis vom Eintritt der Änderung (tatsächliche Beschäftigungsaufnahme, Zeitpunkt und Höhe des Einkommenszuflusses) noch möglich, einen Aufhebungsbescheid nach § 48 SGB 10 zu erlassen.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten für September 2007.
Die am ... 1989 geborene Klägerin und deren Mutter bezogen als Bedarfsgemeinschaft seit dem Jahr 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von dem Beklagten. Sie bewohnten eine 80 m² große Wohnung, für die eine Kaltmiete iHv 201,25 EUR, eine Betriebskostenvorauszahlung iHv 96,45 EUR sowie ein Modernisierungszuschlag iHv 19,23 EUR, mithin insgesamt 316,93 EUR, monatlich zu zahlen waren. Heizmittel (Brennholz, Briketts für die Schwerkraftheizung) waren nach dem Mietvertrag vom Mieter zu beschaffen. Hierfür bewilligte der Beklagte einmalige Leistungen.
Die Klägerin bezog monatlich Kindergeld iHv 154 EUR sowie Unterhaltsleistungen iHv 165,66 EUR. Im Fortzahlungsantrag für den Bewilligungszeitraum ab Juni 2007 gab ihre Mutter an, es hätten sich keine Änderungen ergeben, verwies aber auf eine beigefügte Schulbescheinigung, wonach der Schulbesuch voraussichtlich im Juli 2007 endete, und einen beigefügten Berufsausbildungsvertrag. Danach sollte die Klägerin ab dem 1. August 2007 bei der Kreissparkasse K. eine dreijährige Ausbildung zur Bankkauffrau absolvieren. Die monatliche Vergütung sollte im ersten Ausbildungsjahr 646,17 EUR brutto betragen. Voraussetzung für das Wirksamwerden des Vertrages war das Bestehen der Abiturprüfung.
Mit Bescheid vom 3. Mai 2007 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft Leistungen iHv insgesamt 621,60 EUR für Juni 2007, 618,27 EUR für Juli 2007 und 349,46 EUR monatlich für August bis November 2007. Hiervon entfielen auf die Klägerin in den Monaten Juni und Juli 2007 Leistungen iHv 114, 81 EUR. Für die Zeit ab August 2007 bewilligte der Beklagte keine Leistungen für die Klägerin; bei gleichem Bedarf ergäbe sich ein übersteigendes Gesamteinkommen iHv insgesamt 629,17 EUR. Neben Kindergeld und Unterhalt berücksichtigte er ein Erwerbseinkommen iHv 309,51 EUR.
Mit Schreiben vom 24. Mai 2007 legte die Mutter der Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid ein. Mit der Leistungskürzung ab 1. August 2007 sei sie nicht einverstanden, denn es sei noch nicht voraussehbar, wann die Klägerin ihr erstes Entgelt erhalte. Selbst wenn die Zahlung noch Ende August erfolge, sei deren Lebensunterhalt in diesem Monat nicht gesichert.
Am 26. Juni 2007 zeigte die Mutter der Klägerin dem Beklagten an, die Klägerin wechsele die Lehrstelle. Die neue Ausbildung beginne erst am 30. August 2007. Sie bitte daher um volle Leistungsgewährung für den Monat August. Nach dem am 4. Juli 2007 vorgelegten Berufsausbildungsvertrag über eine Ausbildung zum Chemikanten bei der B. B. GmbH begann die 3 1/2-jährige Ausbildung am 30. August 2007. Im ersten Ausbildungsjahr sollte eine monatliche Bruttovergütung iHv 595 EUR gezahlt werden.
Mit Bescheid vom 17. Juli 2007 änderte der Beklagte die Bewilligung für die Bedarfsgemeinschaft für August und September 2007 auf jeweils 652,27 EUR ab. Für Oktober und November 2007 bewilligte er Leistungen nur noch für die Mutter der Klägerin iHv 505,46 EUR. Auf der zweiten Seite des Bescheides (1. Absatz) heißt es:
"Folgende Änderungen sind eingetreten:
Das Einkommen aus der Ausbildung Zufluss im Folgemonat wurde fiktiv angerechnet um Überzahlungen zu vermeiden. Über Ihren Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts habe ich gem. § 40Abs. 1 SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 1 Nr. 3 SGB III vorläufig entschieden."
Vom bewilligten Gesamtbetrag für die Monate August und September 2007 entfielen auf die Klägerin Leistungen iHv 146,81 EUR/Monat. Unter Berücksichtigung der Regelleistungen iHv nunmehr 278 EUR und KdU iHv 158,47 EUR ergab sich ein Bedarf iHv 436,47 EUR, von dem ein Einkommen iHv von 289,66 EUR (Kindergeld und Unterhalt abzüglich 30 EUR Versicherungspauschale) abgezogen wurde.
Am 17. Juli 2007 fordert...