Das BAG entschied im November 2005 einen Fall, in dem es um einen Diskussionsbeitrag zu Trennungsgesprächen ging, die der Arbeitgeber aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten führen musste, um die Solvenz des Unternehmens zu erhalten.[1] Der gekündigte Arbeitnehmer war Betriebsratsmitglied und postete eine Bilderabfolge ("Gif") auf einem von ihm erstellten Forum, das als Internetpräsenz für eine von ihm gegründete Arbeitsinitiative diente. Die Bilderabfolge zeigte eine Guillotine, ein Eingangstor zu einem Konzentrationslager mit der Überschrift "Arbeit macht frei" und einen Atompilz. Außerdem war ein animierter Selektionsprozess unter deportierten Häftlingen vor dem KZ zu sehen. Die Bilderabfolge war mit dem Text "Trennungsgespräche" unten rechts im Bild beschriftet.

In dem sich hieran anschließenden Kündigungsschutzverfahren entschied das BAG, dass beleidigende Vergleiche mit nationalsozialistischen Praktiken "an sich" geeignet seien, einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB zu bilden. Das Gericht war indes nicht davon überzeugt, dass der Arbeitnehmer einen solchen Vergleich zog. Es sei den "Besonderheiten der Bildgestaltung und des thematischen Zusammenhangs Rechnung zu tragen".[2] In diesem Zusammenhang stellte das BAG klar, dass der Schutz der Meinungsfreiheit unabhängig davon gelte, ob andere die Äußerung für schädlich halten.[3]

Dazu ging das BAG von dem Wortlaut der Äußerung aus, bezog aber den Kontext mit ein. Bei mehrdeutigen Äußerungen müsse eine ebenfalls mögliche Deutung mit überzeugenden Gründen ausgeschlossen werden.[4] Das BAG nahm an, dass die Animation die Trennungsgespräche mit nationalsozialistischen Praktiken nicht gleichsetze. Ausreichend sei, dass der Vergleich mit nationalsozialistischen Praktiken nicht explizit gewesen sei.[5] Besondere Bedeutung maß das BAG auch dem Umstand zu, dass der Arbeitgeber im Vorfeld der Trennungsgespräche Schulungen durchführte. Diese thematisierten zu erwartende emotionale Reaktionen ("Tränenausbrüche") und gaben dazu Ratschläge, wie mit diesen umzugehen sei.[6] Aus diesem Blickwinkel erschien dem BAG die Animation noch als angemessene Reaktion, weil sie der nachvollziehbaren Verbitterung derjenigen, die die Trennungsgespräche auf sich zukommen sahen, zum Ausdruck verhalf. Daran zeigt sich, dass Meinungsäußerungen stärker geschützt sind, wenn sie sich auf tatsächliche Geschehnisse im Betrieb beziehen.

[2] BAG, Urteil v. 24.11.2005, 2 AZR 584/04, NZA 2006, S. 650, Rz. 21.
[3] BAG, Urteil v. 24.11.2005, 2 AZR 584/04, NZA 2006, S. 650, Rz. 24.
[4] BAG, Urteil v. 24.11.2005, 2 AZR 584/04, NZA 2006, S. 650, Rz. 27.
[5] BAG, Urteil v. 24.11.2005, 2 AZR 584/04, NZA 2006, S. 650, Rz. 32.
[6] BAG, Urteil v. 24.11.2005, 2 AZR 584/04, NZA 2006, S. 650, Rz. 37.

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