Arbeitszeugnis: Rechtsanspruch auf Dankesformel?
Das BAG hat den Versuchen einiger Landesarbeitsgerichte, aus dem Rücksichtnahmegebot einen Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Dankesformel in Arbeitszeugnissen abzuleiten, endgültig eine Absage erteilt.
Dankesfloskeln in 98% aller Arbeitszeugnisse
In der Regel enden Arbeitszeugnisse mit einer Höflichkeits- oder Dankesformel, in der der Arbeitgeber sein Bedauern über das Ausscheiden des Arbeitnehmers ausdrückt, ihm für seine Arbeit dankt und für die Zukunft alles Gute wünscht. Nach einer Untersuchung der Universität Nürnberg-Erlangen vom Mai 2011 enthalten 98 % der Arbeitszeugnisse eine solche Schlussfloskel. Das Fehlen einer solchen Floskel wird im Rahmen einer Bewerbung häufig als versteckter Negativhinweis gewertet.
Einige Landesarbeitsgerichte bejahten Anspruch auf Schlussfloskel
Einige Arbeitsgerichte und Landesarbeitsgerichte haben vor diesem Hintergrund entgegen der Rechtsprechung des BAG immer wieder den Versuch unternommen, aus dem Grundsatz des arbeitgeberseitigen Wohlwollens einen Anspruch der Arbeitnehmer auf eine solche Schlussformel im Arbeitszeugnis herzuleiten, um deren berufliches Fortkommen nicht unnötig zu erschweren.
Anspruch auf Dankesformel bei ansonsten positiver Bewertung?
Zuletzt hatte das LAG Düsseldorf im Fall eines über ca. 3 Jahre als Personaldisponent bei einem Personaldienstleister tätigen Arbeitnehmers einen solchen Anspruch auf eine Schlussfloskel bejaht. Nach Auffassung des LAG stand das Fehlen einer solchen Dankesfloskel im Arbeitszeugnis im Widerspruch zu den überdurchschnittlichen Bewertungen der Leistungen des Personaldisponenten. Nach dem aus § 241 Abs. 2 BGB abzuleitenden Gebot der Rücksichtnahme habe der Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine solche Abschlussformel, ohne die die vorangegangene positive Beurteilung aus der Sicht künftiger Arbeitgeber deutlich relativiert würde (LAG Düsseldorf, Urteil v. 12.1.2021, 9 AZR 146/21).
Inhalt von Arbeitszeugnissen ist gesetzlich geregelt
Die gegen dieses Urteil eingelegte Revision der Arbeitgeberin war erfolgreich. Das BAG stellte in seiner Entscheidung klar, dass ein Arbeitnehmer unmittelbar aus § 109 Abs. 1 Satz GewO keinen Anspruch auf eine solche Dankesformel herleiten kann. Nach dieser Vorschrift habe der Arbeitnehmer Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis, das Angaben zu seiner Leistung sowie zu seinem Verhalten enthält. Einen Anspruch auf eine Schluss- oder Dankesformel enthalte der Gesetzeswortlaut nicht.
Verfassungsrechtliche Abwägung
Bei der Frage, ob sich aus § 109 GewO nach der Gesetzesintention ein Anspruch auf eine solche Schlussformel ableiten lässt, spielen nach Auffassung des BAG verfassungsrechtliche Erwägungen eine entscheidende Rolle. Auf Seiten des Arbeitgebers seien die gemäß Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsfreiheit sowie die gemäß Art. 12 Abs. 1 geschützte Unternehmerfreiheit zu berücksichtigen, auf Seiten des Arbeitnehmers die durch eine Schlussformel möglicherweise erhöhten Bewerbungschancen (BAG, Urteil v. 11.12.2012, 9 AZR 227/11).
Arbeitgeber darf nicht zu unwahren Äußerungen gezwungen werden
Da eine Dankes- und Schlussformel nach der Bewertung des BAG die Gedanken- und Gefühlswelt des Zeugnisverfassers zum Ausdruck bringt, komme dem Schutz der Meinungsfreiheit in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu. Im Rahmen der negativen Meinungsfreiheit (BVerfG, Urteil v. 27.8.2019, 1 BvR 811/17) dürfe ein Arbeitgeber nicht gezwungen werden, unter Verletzung des Grundsatzes der Zeugniswahrheit eine innere Einstellung zu offenbaren und Wünsche zu äußern, die möglicherweise nicht der Wirklichkeit entsprechen.
Dankesformel ohne eigenständige inhaltliche Relevanz
Demgegenüber dürfe im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Interessen die Bedeutung einer solchen Schlussformel für die zukünftigen beruflichen Perspektiven des Arbeitnehmers auch nicht überbewertet werden. Die Äußerung von Bedauern über das Ausscheiden, von Dank und guten Wünschen für die Zukunft sei nicht Gegenstand der eigentlichen Leistungs- und Verhaltensbeurteilung. Sie dienten lediglich der Abrundung einer im Grundsatz überdurchschnittlichen Bewertung, hätten aber keine eigenständige inhaltliche Bedeutung.
Zeugnisinhalt im Gesetz abschließend geregelt
Die Beachtung des Rücksichtnahmegebots nach § 241 Abs. 2 BGB bei der Auslegung des § 109 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 GewO führt nach Auffassung des BAG zu keinem anderen Ergebnis. Auch das Gebot der Rücksichtnahme verpflichte den Arbeitgeber nicht zu unwahren Formulierungen. Schließlich habe der Gesetzgeber in § 109 GewO ausdrücklich die Inhalte eines Zeugnisses aufgelistet, auf der der Arbeitnehmer einen Anspruch hat. Eine Erweiterung dieses Katalogs durch die Gerichte würde nach Auffassung des BAG die Grenzen zulässiger Auslegung und richterlicher Rechtsfortbildung überschreiten (BAG, Urteil v. 20.2.2001, 9 AZR 44/00).
Revision erfolgreich
Im Ergebnis war die Revision gegen das Urteil des LAG Düsseldorf damit erfolgreich. Das BAG hat damit auch für zukünftige Fälle klargestellt, dass es in der Frage der Schlussfloskeln in Arbeitszeugnissen bei seiner bisherigen unnachgiebigen Linie bleiben wird und die Instanzgerichte sich hiernach zu richten haben.
(BAG, Urteil v. 25.1.2022, 9 AZR 146/21)
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