Prof. Dr. jur. Tobias Huep
Ganz allgemein gilt: Schafft der Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis eine Gefahrenlage – z. B. durch Anordnung eines Auslandseinsatzes –, muss er nach § 241 Abs. 2 BGB grundsätzlich die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen treffen, um eine Schädigung der Beschäftigten so weit wie möglich zu verhindern. Hierzu muss er die Maßnahmen ergreifen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Arbeitgeber für notwendig und ausreichend halten darf, um die Beschäftigten vor Schäden zu bewahren.
1.1.1 Einzelne Fürsorgepflichten vor, während und nach der Entsendung
Ein Auslandseinsatz begründet für den Arbeitgeber neben den allgemeinen arbeitsrechtlichen Nebenpflichten verschiedene besondere Fürsorgepflichten, die sich vorrangig auf die besonderen länderspezifischen Umstände des ausländischen Arbeitsorts beziehen. Die wichtigsten Bereiche betreffen:
- vorbereitende Informations- und Hinweispflichten (z. B. Sicherheits- oder Sprachschulungen),
- Schulungen etc. zur Vorbereitung auf die vorgesehene Tätigkeit,
- gesundheitliche Eignung des Mitarbeiters,
- medizinische Vorsorgemaßnahmen (z. B. Impfungen),
- Abschluss von spezifischen Versicherungen,
- vorbereitende Sicherheitsmaßnahmen.
Ein Arbeitgeber muss einen Arbeitnehmer, mit dem er einen Arbeitsvertrag schließt, der einen Einsatz des Arbeitnehmers im Ausland vorsieht, bei Vertragsabschluss grundsätzlich nicht von sich aus darauf hinweisen, dass ab einer bestimmten Aufenthaltsdauer in einem ausländischen Staat dort eine Verpflichtung zur Abführung von Einkommens- oder Lohnsteuer entstehen kann.
1.1.2 Travel-Risk-Management
Konkreter Ausdruck und Umsetzung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers in Konkretisierung von § 618 BGB sowie des Arbeitsschutzgesetzes/Arbeitssicherheitsgesetz ist die Installation eines umfassenden "Travel-Risk-Management". Seit kurzem liegt dazu der ISO-Standard 31030 vor. Aus diesem ergeben sich umfassende, konkrete Schritte zur strukturierten Einrichtung eines unternehmensbezogenen Konzepts und der damit verbundenen Prozesse zur Prävention vor gesundheitlichen und sicherheitsrelevanten Risiken und Gefahren u. a. von Auslandseinsätzen. Unmittelbar bezieht sich der Standard zwar (nur) auf Dienstreisen, seine Grundsätze und Vorgaben sind jedoch auch auf längere Auslandseinsätze übertragbar.
Reduzierung der Haftungsrisiken durch Einhaltung des ISO-Standards
Die Erfüllung der Anforderungen des ISO-Standards reduziert mögliche Haftungsrisiken auf Seiten des Arbeitgebers – insbesondere kann damit im Fall der Schädigung eines Mitarbeiters dem Vorwurf fahrlässigen Handelns begegnet werden.
Zu den damit verbundenen Maßnahmen gehören u. a.:
- die vorbeugende und vorbereitende Risikoanalyse ("Risk Rating"), dazu gehört auch die Einschätzung der möglichen rechtlichen und finanziellen Folgen für den Arbeitgeber;
- die arbeitsschutzbezogene Gefährdungsbeurteilung des Arbeitsplatzes im Ausland – Gefährdungen (ARP 2020, 20) und Gewährleistung ausreichender Sicherheitsmaßnahmen inkl. kurzfristiger Rückholung (Krisengebiet/Corona-Lockdown);
- die Erstellung von darauf basierenden Planungen zur Risikovermeidung und Prävention, aber auch von Vor-Ort-Versorgungs- bzw. Evakuationsplänen;
- die risikobezogene Schulung der Mitarbeiter;
- die arbeitsmedizinische Vorsorge.
Zuständigkeiten für die Implementierung, aber auch die konkrete Durchführung müssen präzise festgelegt werden, da es sich um eine Querschnittsmaterie handelt. Einzubeziehen sind z. B. HR, Betriebsmediziner, Sicherheits- und Gefahrenbeauftragte, aber auch der Betriebsrat und (möglichst frühzeitig) der zu entsendende Mitarbeiter selbst.