Wie weit reicht die Verkehrssicherungspflicht von Gastwirten?
Die Verkehrssicherungspflicht von Gastwirten ist immer wieder Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. Eine Entscheidung des LG Frankenthal zeigt im Fall einer Treppenstufe als „Stolperfalle“ die Grenzen der Verkehrssicherungspflicht auf. Das Gericht betont, dass auch Gäste ein Mindestmaß an Aufmerksamkeit aufwenden müssen, um mögliche Gefahren zu vermeiden.
Treppenstufe auf dem Weg zur Toilette als „Stolperfalle“
Im konkreten Fall hatte die Besucherin eines Restaurants auf dem Weg zur Toilette eine Stufe übersehen. Sie stürzte gegen eine Mauerkante und zog sich erhebliche Verletzungen am Brustkorb sowie an einem Bein zu. Sie forderte vom Gastwirt Schmerzensgeld in Höhe von 7.500 EUR mit der Begründung, dieser sei seinen Verkehrssicherungspflichten nicht nachgekommen. Sie sei beim Begehen eines zur Toilette führenden Durchgangs durch die links und rechts im Gang angebrachten Geländer abgelenkt gewesen und habe eine nach unten führende einzelne Stufe übersehen.
Gastwirt muss auch unbedachtes Gästeverhalten einplanen
Der Gastwirt wandte ein, die Stufe sei beleuchtet und durch aufgebrachte rote Klebestreifen zusätzlich gekennzeichnet gewesen. Er verweigerte die Zahlung von Schmerzensgeld. Das Gericht gab dem Gastwirt recht. Das LG betonte, die Verkehrssicherungspflichten eines Gastwirtes seinen Gästen gegenüber seien grundsätzlich streng auszulegen. Ein Gastwirt müsse sein Restaurant während der Geschäftszeiten frei von Gefahren für seine Gäste halten. Dies gelte besonders streng in Gaststätten, in denen auch Alkohol ausgeschenkt wird. Hier müsse der Gastwirt auch mit gelegentlichen unvorsichtigen Verhaltensweisen seiner Gäste rechnen.
Gäste müssen sich auf erkennbare Gefahren einstellen
Die besondere Verkehrssicherungspflicht der Gastwirte befreit nach der Entscheidung des Gerichts den Gast jedoch nicht davon, seinerseits ein Mindestmaß an eigener Vorsicht walten zu lassen. Insbesondere auf erkennbare Gefahren müsse der Gast sich einstellen. Im konkreten Fall hätten die beiderseitig an dem Durchgang angebrachten Geländer sowie die sichtbaren roten Streifen Besucher eindeutig auf eine Gefahrenquelle, nämlich die Stufe, hingewiesen. Dies habe die Klägerin zur Vorsicht veranlassen müssen.
Eingeschränkte Sicht erforderte besondere Aufmerksamkeit der Klägerin
Die Einwendung der Klägerin, sie habe durch die Nutzung einer Atemschutzmaske nur eine eingeschränkte Sicht gehabt, ließ das Gericht nicht gelten. Die eingeschränkte Sicht hätte nach Auffassung des Gerichts für die Klägerin erst recht Veranlassung zu besonderer Vorsicht sein müssen. Diese haben die Klägerin vermissen lassen.
Schmerzensgeldklage abgewiesen
Das LG gelangte zu dem Ergebnis, dass der Gastwirt im konkreten Fall seiner Verkehrssicherungspflicht genüge getan habe und wies die Schmerzensgeldklage in vollem Umfang ab. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Klägerin hat Berufung beim OLG eingelegt.
(LG Frankenthal, Urteil v. 7.5.2024, 7 O 264/23)
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Hintergrund:
Die Anforderungen an den Umfang der Verkehrssicherungspflichten Gastwirten werden in der Rechtsprechung nicht immer ganz einheitlich bemessen.
Verkehrssicherungspflicht besteht innerhalb vernünftiger Grenzen
Nach der Rechtsprechung des BGH und der Oberlandesgerichte ist derjenige, der einen öffentlich zugänglichen Verkehr eröffnet und/oder eine Gefahrenlage schafft, grundsätzlich verpflichtet, sämtliche notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer zu vermeiden. Zu berücksichtigen ist laut BGH allerdings, dass eine Verkehrssicherung, die jede denkbare Schädigung ausschließt, in der Praxis nicht zu erreichen ist. Die Verkehrssicherungspflicht umfasst daher nur die Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um Schaden von anderen abzuwenden (BGH, Urteil v. 22.1.2008, VI ZR 126/07).
Auch Gäste müssen aufmerksam sein
Einige Obergerichte stellen für Gaststätten und Restaurants spezifische Anforderungen, auch an die Aufmerksamkeit der Gäste. So hat das OLG Frankfurt entschieden, dass ein Gaststätteninhaber nicht wegen Verletzung seiner Verkehrssicherungspflicht haftet, wenn ein Gast auf einer mit Natursteinen ausgelegten Terrasse eines Restaurants über eine Unebenheit stürzt. Nach der Entscheidung des OLG ist ein Gastwirt nicht verpflichtet, einen gänzlich gefahrenfreien Zustand herzustellen, sondern darf darauf vertrauen, dass auch Gäste sich an die erkennbaren Bedingungen einer Örtlichkeit wie an die bei Natursteinen üblichen Unebenheiten anpassen (OLG Frankfurt, Beschluss v. 18.7.2023, 11 U 33/23).
Spezielle Nutzungsarten erfordern besondere Verkehrssicherungsmaßnahmen
Bestimmte Nutzungsarten einer Gaststätte können den Gastwirt zu besonderen Vorsichtsmaßnahmen verpflichten. So ist der Betreiber einer Disco gehalten, die Tanzfläche einer ständigen Kontrolle zu unterziehen und darauf zu achten, dass dort keine Flüssigkeiten zum Sturz von Tanzenden führen können. Nach dem Sturz einer Discobesucherin wegen eines verschütteten Getränks auf der Tanzfläche hat das OLG Karlsruhe die Betreiberin einer Diskothek wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zu ca. 37.000 EUR Schadenersatz verurteilt (OLG Karlsruhe, Urteil v. 16.3.2022, 7 U 125/21; ähnlich OLG Hamm, Urteil v. 5.4.2016, 9 U 77/15).
Die Verkehrssicherungspflicht erfasst auch Außenanlagen
Der Verkehrssicherungspflicht von Gastwirten erstreckt sich auch auf die Außenanlagen, z. B. auf die Parkplätze. Mangelnde Beleuchtung, unzureichender Winterdienst, zu hohe Poller und erhöhte Bordsteinkanten sorgen hier häufig für gerichtliche Streitigkeiten. Die Gerichte stellen in diesen Fällen i. d. R. auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ab und nehmen meist umfangreiche Abwägungen zwischen den Verkehrssicherungspflichten des Parkplatzbetreibers und den Sorgfaltspflichten der Nutzer vor. Der BGH stellt tendenziell hohe Sorgfaltsanforderungen an die Nutzer von Kundenparkplätzen (BGH, Urteil v. 2.7.2019, VI ZR 184/18). Schäden durch das Überfahren von Begrenzungssteinen gehen i. d. R. zulasten des Fahrzeugeigentümers (OLG Frankfurt, Beschluss v. 11.9.2008, 1 U 301/07).
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