Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Verkehrssicherungspflichtverletzung bei erkennbaren Unebenheiten im Außenbereich der Terrasse einer Gaststätte
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Urteil vom 23.03.2023; Aktenzeichen 9 O 324/21) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Wiesbaden - 9. Zivilkammer - vom 23.3.2023 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des erstinstanzlichen Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf EUR 24.393,57 festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt Schadensersatz im Zusammenhang mit einem Sturz am 02.07.2021 auf der Terrasse des vom Beklagten betriebenen Lokals. Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 522 Abs. 3 S. 4 ZPO auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung wie folgt ausgeführt:
Der Beklagte habe keine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Es sei bereits nicht ersichtlich, dass die Eröffnung des Publikumsverkehrs auf der Terrasse, auf welcher Natursteine im polygonalen Verfahren verlegt sind, eine schuldhafte Verkehrssicherungspflichtverletzung beinhalten könnte. Vielmehr treffe das Gegenteil zu. Die Terrassenfläche stelle sich ohne weiteres als eine unruhige Fläche mit diversen Unebenheiten und Vertiefungen dar. Insoweit könne nicht das Fehlen von Niveauunterschieden, Unebenheiten und Vertiefungen erwartet werden. Die bewusst erzeugte mediterrane Atmosphäre gehe zwangsläufig damit einher, dass Niveauunterschiede und sonstige Unebenheiten und Vertiefungen wesensimmanent seien. Auch dem Kläger könne dies nicht entgangen sein. Im Zusammenhang mit den Bäumen und Pflanzen komme der Fläche weniger der Charakter einer homogengepflasterten Terrassenfläche als vielmehr eines Biergartens zu. Vor evidenten Gefahren brauche nicht gewarnt werden. Vielmehr sei jeder Gast von sich aus gehalten, die Füße zu heben. Zudem betrügen die Niveauunterschiede nirgends mehr als 1,6 cm. Dies sei bei einer Außenterrasse mit Biergartencharakter hinzunehmen. Der Beklagte habe insoweit auch ausgeführt, dass weder ein anderer Gast noch seine Kellner auf dem Belag bislang gestolpert seien.
Aus den Angaben des Klägers ergebe sich auch noch nicht einmal, dass er aufgrund einer Unebenheiten der Terrasse hingefallen sei. Der Kläger habe selbst weder von einem Stolpern noch von sonstigen Vertiefungen im Rahmen seiner informatorischen Anhörung gesprochen. Der Sturz könne damit auch andere Ursachen gehabt haben. Die Zeugin A habe ihren Angaben nach nicht gesehen, aus welchen Gründen der Kläger gefallen sei. Soweit sie angegeben habe, dass der Kläger wohl an einer Platte hängen geblieben sei, handele es sich lediglich um eine vage Vermutung.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlichen Anträge vollumfänglich weiterverfolgt. Zur Begründung führt er wie folgt aus:
Die vom Landgericht zitierten Entscheidungen seien mit der hiesigen Konstellation nicht vergleichbar und ergäben keine einheitlichen Grundsätze.
Nach der Entscheidung des OLG Köln (Urteil vom 15.06.1998 - 19 U 6/98) sei der Betreiber einer Gaststätte dafür verantwortlich, dass die Gäste gefahrlos und sicher die Zuund Abgänge benutzen könnten. Mit einer gewissen Unaufmerksamkeit müsse gerechnet werden. Der Verkehrssicherungspflichtige sei für die Gefahrenabwehr unabhängig von Anordnungen der Baupolizeibehörde verantwortlich. Gemäß Urteil des OLG Düsseldorf (30.12.1982 - 3 U 55/82) gehöre es zur Verkehrssicherungspflicht eines Gastwirts, dass auch für die Sicherheit des Außenbereichs der Gaststätte gesorgt werde.
Der Schadensersatzanspruch sei auch nicht wegen eines etwaigen Mitverschuldens gemindert oder ausgeschlossen. Der Kläger habe darauf vertrauen dürfen, dass die Wege im Bereich der Gaststätte sicher und gefahrlos genutzt werden könnten. Der menschliche Gang sei eines der unsichersten Fortbewegungsvorgänge, die es unter Lebewesen gebe. Für das Stolpern könne das Hängenbleiben mit der Schuhspitze oder aber das Hängenbleiben mit dem Absatz relevant sein sowie Vertiefungen, worin die Schuhspitze in Schrägstellung Platz finde; auch Fußangeln wie etwa Versorgungsleitungen oder Ähnliches könnten ursächlich sein. Dabei erfolge das Umknicken in der Regel durch seitliche Kippen des belasteten Fußes. Da Unebenheiten in jedem Fall "umknickrelevant" seien, erübrige sich eine gesonderte Erfassung als potenzielle "Umknickstelle".
Nicht berücksichtigt worden sei auch, dass hier von einer erniedrigten Gefahrenkognition auszugehen sei. Der Beklagte habe das verringerte Vorsorgeverhalten der Gäste auf dem Weg zur Toilette einkalku...