OLG Hamm zur Zulässigkeit von Forderungsinkasso per SMS

Ein Inkassounternehmen darf Zahlungsaufforderungen auch per SMS versenden. Voraussetzung ist allerdings, dass die geltend gemachte Forderung nicht unberechtigt ist.

Auf eine Klage des „Verbraucherzentrale Bundesverbands“ (vzbv) hat das OLG Hamm einem Inkassounternehmen untersagt, Verbraucher per SMS zur Zahlung unberechtigter Forderungen aufzufordern. Die weitergehende Klage des vzbv auf eine generelle Untersagung der Inkassotätigkeit mittels SMS-Nachrichten hatte keinen Erfolg.

Zahlungsaufforderung zunächst postalisch, dann per SMS

Im entschiedenen Fall hatte ein Inkassounternehmen eine Verbraucherin auf dem Postweg zweimal wegen angeblich rückständiger Forderungen gegenüber dem Internetanbieter Amazon angemahnt. Anschließend versandte das Unternehmen eine SMS mit folgendem Text: „Hallo…, Ihre Zahlungsfrist läuft ab! Zahlen Sie am besten noch heute. Hier Ihr Link zur Online-Zahlung: …“

Forderung war in Wahrheit nicht existent

Der klagende Verband wertete diese Vorgehensweise als unzulässige aggressive geschäftliche Handlung, als unzumutbare Belästigung im Sinne des UWG sowie als Irreführung der betroffenen Verbraucherin. Die geltende gemachte Forderung – das war im Prozess unstreitig – hatte in Wahrheit nicht bestanden. Der Verbraucherverband klagte auf generelle Unterlassung der Forderungsbeitreibung gegenüber Verbrauchern per SMS, hilfsweise auf Unterlassung der Beitreibung nichtberechtigter Forderungen per SMS.

Aggressive geschäftliche Handlungen können unlauter sein

Nach vollständiger Abweisung der Klage durch die Vorinstanz hat das OLG der Unterlassungsklage im Hilfsantrag stattgegeben. Nach der Entscheidung des Senats stellt die Geltendmachung einer Forderung per SMS generell keine unlautere Handlung im Sinne des § 4a Abs. 1 Satz 1 Satz 3 Nr.1 UWG dar.

  • Unlauter im Sinne dieser Vorschrift sind aggressive geschäftliche Handlungen, die geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte.
  • Aggressiv sind geschäftliche Handlungen, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet sind, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers erheblich zu beeinträchtigen.

Forderungsbeitreibung per SMS entspricht der Informationswirklichkeit

Eine unzulässige Beeinflussung des Verbrauchers geht nach der Bewertung des Senats von einer per SMS geltend gemachten Forderung generell nicht aus. Angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Informationswirklichkeit, in der nahezu jeder geschäftsfähige Verbraucher über ein Smartphone verfüge, sei eine Benachrichtigung per SMS nichts Ungewöhnliches und stelle keinen unzumutbaren Eingriff in die Privatsphäre des Nachrichtenempfängers dar.

SMS ist keine wettbewerbswidrige Verbraucherbelästigung

Mit einer ähnlichen Argumentation verneinte das OLG auch einen Verstoß gegen das Belästigungsverbot des § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG. Nach dieser Vorschrift setzt eine unzulässige Verbraucherbelästigung voraus, dass

  • eine geschäftliche Handlung dem Empfänger gegen seinen erkennbaren oder mutmaßlichen Willen aufgedrängt wird und
  • eine solche Intensität erreicht, dass sie von den Verbrauchern regelmäßig als unerträglich oder unzumutbar empfunden wird.
  • Bei der Wertung der Unzumutbarkeit sind nicht nur die geschützten Interessen des Adressaten zu berücksichtigen, sondern auch die legitimen Interessen des Forderungsinhabers an der Durchsetzung seiner Forderung.

Im Ergebnis ist nach der Entscheidung des Senats die Geltendmachung einer Forderung per SMS für den Verbraucher nicht lästiger als eine postalische Mahnung. Inkasso per SMS sei deshalb nicht unzumutbar.

Vielzahl von SMS kann Belästigung sein

In einer Zusatzbemerkung stellte das Gericht die Möglichkeit einer anderen Beurteilung für die Fälle in den Raum, in denen Verbraucher mit einer Vielzahl von SMS, möglicherweise auch in den Nachtstunden, bombardiert werden. In diesen Fällen könne eine unlautere Belästigung der Verbraucher vorliegen.

Anders bei Täuschung des Verbrauchers

Grundsätzlich anders zu beurteilen ist der Vorgang nach Maßgabe des OLG dann, wenn die geltend gemachte Forderung unberechtigt ist. In diesem Fall bestehe ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG i.V.m. § 5 Abs. 1, Abs. 2 UWG wegen Irreführung und Täuschung des Verbrauchers. Dies sei hier der Fall. In Verbindung mit den vorangegangenen beiden schriftlichen Mahnungen enthalte die von der Beklagten versandte SMS konkludent die Behauptung, zwischen der betroffenen Verbraucherin und Amazon sei es zu einem wirksamen Vertragsschluss gekommen, was unstreitig nicht der Fall war. Diese unwahre Angabe sei zur Irreführung und Täuschung der adressierten Verbraucherin geeignet gewesen.

Gefahr einer irrtumsbedingten Zahlung

Bei einer Aufforderung zur Zahlung einer tatsächlich nicht existenten Forderung per SMS bestehe die nicht von der Hand zu weisende Möglichkeit, dass der Verbraucher irrtümlich annimmt, er habe einen Vertrag geschlossen und die Forderung sei berechtigt. Schon die abstrakte Gefahr einer Irreführung reiche für die Annahme einer Täuschung aus. Die ungerechtfertigte Zahlungsaufforderung sei geeignet, die angesprochene Verbraucherin zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie sonst nicht getroffen hätte, nämlich zur Begleichung des geforderten Betrages. Diese Gefahr sei erfahrungsgemäß besonders groß, wenn es sich bei der geltend gemachten Forderung – wie hier - um einen eher geringen Betrag handelt. In solchen Fällen würden Verbraucher schon mal ohne nähere Nachprüfung einfach zahlen, um möglichem Ärger aus dem Weg zu gehen.

Inkasso unberechtigter Forderungen ist zu unterlassen

Im konkreten Fall bewertete das OLG die Inkassotätigkeit hinsichtlich der unberechtigten Forderung daher als Verstoß gegen den lauteren Wettbewerb. Die Zahlungsaufforderung per SMS war nach der Entscheidung des OLG also unzulässig. Die Klage auf Unterlassung war in diesem Punkt daher begründet, nicht aber die Klage auf generelle Unterlassung der Inkassotätigkeit mittels SMS.

(OLG Hamm, Urteil v. 7.7.2024, I-4 U 252/22)