Prof. Dr. jur. Tobias Huep
1.1 Erfordernis einer Vereinbarung
Um für beide Seiten Klarheit und Rechtssicherheit zu schaffen, sollte jeglicher Mitarbeitereinsatz im Ausland auf einer klaren vertraglichen Grundlage beruhen.
Einer gesonderten vertraglichen Vereinbarung bedarf es nur dann nicht, wenn der Einsatz im Ausland vom Direktionsrecht des ursprünglichen Vertrags gedeckt ist und weitere Regelungen für den Auslandseinsatz nicht erforderlich sind. Dies kommt insbesondere bei kürzeren, zeitlich überschaubaren oder lediglich sporadischen Einsätzen in Betracht. Die längerfristige Versetzung oder Entsendung ins Ausland wird oftmals vom allgemeinen Direktionsrecht des Arbeitgebers nicht gedeckt sein. Es bedarf daher entweder
- einer wirksamen, sog. "erweiterten" Direktionsrechtsklausel,
- anderenfalls einer einvernehmlichen Vertragsänderung.
Allerdings zeichnet sich in der neueren Rechtsprechung eine Tendenz zu großzügigerer Auslegung des Direktionsrechts in Arbeitsverhältnissen ab, in denen Auslandseinsätze angesichts einer zunehmend global vernetzten Weltwirtschaft zur arbeitsrechtlichen Normalität werden. Eine Beschränkung des Weisungsrechts auf Arbeitsorte im Inland ist dem Arbeitsvertrag als solchem nicht automatisch zu entnehmen. Insbesondere lässt sich ein auch auf Auslandseinsätze bezogenes Weisungsrecht aus der Tätigkeitsbeschreibung entnehmen (z. B. Montagetätigkeit in einem international tätigen Bauunternehmen). Entsprechende Einschränkungen können durch den Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge sowie grundsätzlich auch durch gesetzliche Regelungen eingeführt werden.
Die Versetzung ins Ausland kraft Weisungsrechts unterliegt einer Ausübungskontrolle im Einzelfall. Dabei sind die Interessen der beiden Vertragsparteien gegeneinander abzuwägen. Beruht die Weisung, zukünftig an einem Arbeitsort im Ausland tätig zu sein, auf einer Organisationsentscheidung des Arbeitgebers, kommt dieser unternehmerischen Entscheidung besonderes Gewicht zu. Etwas anderes ergibt sich dann, wenn die unternehmerische Entscheidung missbräuchlich oder willkürlich erscheint. Auf ihre Zweckmäßigkeit ist die unternehmerische Entscheidung nicht zu prüfen.
Sofern das Direktionsrecht umgekehrt keine ausreichende Rechtsgrundlage für den Einsatz im Ausland bietet, ist der Arbeitgeber auf eine umfassendere Neuregelung des Arbeitsvertrags angewiesen. Dies kann durch eine einvernehmliche Vertragsänderung erfolgen. Ist der Arbeitnehmer dazu nicht bereit, müsste der Arbeitgeber eine Änderungskündigung erklären – deren Durchsetzung in der Praxis schwierig ist.
1.2 Vertragsmodelle
Bei der einvernehmlichen vertraglichen Änderung ist bei der rechtlichen Ausgestaltung von Entsendungen zwischen dem "Ein-" und dem "Zweivertragsmodell" (teilweise auch "Mehrvertragsmodell" genannt) zu unterscheiden.
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Das Einvertragsmodell lässt den bisherigen Arbeitsvertrag bestehen und modifiziert ihn lediglich im Hinblick auf die für den Auslandseinsatz relevanten Punkte. Dies werden regelmäßig die Änderung des Arbeitsorts, die Dauer des Auslandsaufenthalts sowie zusätzliche Entgelt- und Aufwendungsersatzansprüche sein. Hinsichtlich aller sonstigen Inhalte bleibt es bei den Regelungen im ursprünglichen Arbeitsvertrag. Typischer Anwendungsbereich ist eine zeitlich überschaubare Entsendung ins Ausland. Dauert der Auslandseinsatz dabei länger als einen Monat, müssen die wesentlichen Arbeitsbedingungen dieser Modifikation des ursprünglichen Arbeitsvertrags gemäß § 2 Abs. 3 NachwG vor Antritt der Auslandsbeschäftigung schriftlich niedergelegt und dem Arbeitnehmer ausgehändigt werden.
Eine Sonderform eines Einvertragsmodells ist die vollkommene Auflösung des bisherigen Arbeitsvertrags und der Neuabschluss eines Auslandseinsatzvertrags, in den dann ggf. ein Weiterbeschäftigungsanspruch nach der Beendigung des Auslandseinsatzes aufgenommen werden kann.
Beim Zweivertragsmodell wird der bisherige Arbeitsvertrag einvernehmlich ruhend gestellt. An seine Stelle tritt eine eigenständige Neuregelung als Entsendungsvertrag entweder mit dem bisherigen Arbeitgeber oder einem anderen Unternehmen – dies wird insbesondere bei Auslandseinsätzen in einem Konzernverbund der Fall sein.
Anwendungsfälle des Zweivertragsmodells
Typische Anwendungsbereiche sind langfristige und unbefristete Entsendungen ins Ausland bzw. Fälle der Entsendung innerhalb eines Konzerns.
Lücken im Entsendevertrag können durch den Rückgriff auf die Regelungen im ursprünglichen Arbeitsvertrag, aber auch durch Rückgriff auf geltende Kollektivvereinbarungen geschlossen werden. Aus dem ruhend gestellten, ursprünglichen Arbeitsvertra...