Prof. Dr. jur. Tobias Huep
Bei der einvernehmlichen vertraglichen Änderung ist bei der rechtlichen Ausgestaltung von Entsendungen zwischen dem "Ein-" und dem "Zweivertragsmodell" (teilweise auch "Mehrvertragsmodell" genannt) zu unterscheiden.
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Das Einvertragsmodell lässt den bisherigen Arbeitsvertrag bestehen und modifiziert ihn lediglich im Hinblick auf die für den Auslandseinsatz relevanten Punkte. Dies werden regelmäßig die Änderung des Arbeitsorts, die Dauer des Auslandsaufenthalts sowie zusätzliche Entgelt- und Aufwendungsersatzansprüche sein. Hinsichtlich aller sonstigen Inhalte bleibt es bei den Regelungen im ursprünglichen Arbeitsvertrag. Typischer Anwendungsbereich ist eine zeitlich überschaubare Entsendung ins Ausland. Dauert der Auslandseinsatz dabei länger als einen Monat, müssen die wesentlichen Arbeitsbedingungen dieser Modifikation des ursprünglichen Arbeitsvertrags gemäß § 2 Abs. 3 NachwG vor Antritt der Auslandsbeschäftigung schriftlich niedergelegt und dem Arbeitnehmer ausgehändigt werden.
Eine Sonderform eines Einvertragsmodells ist die vollkommene Auflösung des bisherigen Arbeitsvertrags und der Neuabschluss eines Auslandseinsatzvertrags, in den dann ggf. ein Weiterbeschäftigungsanspruch nach der Beendigung des Auslandseinsatzes aufgenommen werden kann.
Beim Zweivertragsmodell wird der bisherige Arbeitsvertrag einvernehmlich ruhend gestellt. An seine Stelle tritt eine eigenständige Neuregelung als Entsendungsvertrag entweder mit dem bisherigen Arbeitgeber oder einem anderen Unternehmen – dies wird insbesondere bei Auslandseinsätzen in einem Konzernverbund der Fall sein.
Anwendungsfälle des Zweivertragsmodells
Typische Anwendungsbereiche sind langfristige und unbefristete Entsendungen ins Ausland bzw. Fälle der Entsendung innerhalb eines Konzerns.
Lücken im Entsendevertrag können durch den Rückgriff auf die Regelungen im ursprünglichen Arbeitsvertrag, aber auch durch Rückgriff auf geltende Kollektivvereinbarungen geschlossen werden. Aus dem ruhend gestellten, ursprünglichen Arbeitsvertrag folgen allerdings kontinuierlich Nebenpflichten, insbesondere Fürsorge-, Aufklärungs- und Informationspflichten.
In Betracht kommt auch eine Konstruktion mit mehreren aktiven Arbeitsverträgen. Sinnvoll erscheint eine solche Regelung allenfalls bei wechselnden Einsatzorten in verschiedenen Ländern. Der Arbeitnehmer erbringt seine Arbeitsleistung vor Ort dann jeweils auf Basis der für den jeweiligen Einsatzort zugeschnittenen Vertrag. Diese komplexe und streitanfällige Regelung kann Sinn machen, wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen in verschiedenen Staaten bestimmte rechtliche Vorgaben erfordern, die nicht einheitlich in einem Vertrag geregelt werden können.
Arbeitsrechtlich möglich ist auch die Vereinbarung eines einzigen Arbeitsverhältnisses mit zwei verschiedenen Arbeitgebern – auch diese Konstellation wird bei Konzernunternehmen anzutreffen sein. Ein solches Arbeitsverhältnis wird insbesondere dann anzunehmen sein, wenn das Direktionsrecht auf zwei Arbeitgeber verteilt ist. Aufgrund der damit verbundenen Abgrenzungs- und Zuständigkeitsprobleme ist von einer solchen Gestaltung in der Praxis abzuraten. Bei Konzerneinsätzen kann der Entsendevertrag mit der bisherigen Gesellschaft (der ursprünglichen Arbeitgeberin) und ein neuer Arbeitsvertrag mit der weiteren Konzerngesellschaft abgeschlossen werden.
Eine vorübergehende Eingliederung in die Organisation des ausländischen Konzernunternehmens und eine entsprechende Weisungsunterworfenheit bzw. die Überlassung an ein deutsch-ausländisches Gemeinschaftsunternehmen kann als nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 oder Nr. 3 AÜG privilegierte Arbeitnehmerüberlassung qualifiziert werden. Die Vorschriften des AÜG finden in diesen Fällen weitgehend keine Anwendung.