FinMin Schleswig-Holstein, Erlaß v. 12.3.2013, VI 313 - S 2284 - 187
Aufwendungen für eine medizinische Maßnahme, die nicht zweifelsfrei der Linderung oder Heilung einer Krankheit dient, als außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33 EStG;
Voraussetzungen für den Nachweis der Zwangsläufigkeit
Mir ist die Frage gestellt worden, welche Nachweise Steuerpflichtige für Aufwendungen aufgrund von plastischen Operationen und anderen Operationen im Bereich der Schönheitspflege (z.B. Fettabsaugung) zu erbringen haben, um diese Aufwendungen als Krankheitskosten nach § 33 EStG berücksichtigen zu können.
Aufwendungen für Heilbehandlungen werden typisierend als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG berücksichtigt, ohne dass die Aufwendungen dem Grunde und der Höhe nach geprüft werden. Heilbehandlungen sind Maßnahmen, die entweder der Heilung einer Krankheit dienen oder den Zweck verfolgen, die Krankheit erträglich zu machen und ihre Folgen zu lindern (BFH-Urteil vom 17.7.1981, VI R 77/78, BStBl 1981 II S. 711). Der Begriff der Heilbehandlung umfasst dabei alle Eingriffe und andere Behandlungen, die nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zu dem Zweck angezeigt sind und vorgenommen werden, Krankheiten, Leiden, Körperschäden, körperliche Beschwerden oder seelische Störungen zu verhüten, zu erkennen, zu heilen oder zu lindern.
Hiervon abzugrenzen sind Behandlungen, die lediglich aus kosmetischen Erwägungen heraus – ohne medizinische Notwendigkeit und ohne therapeutisches Ziel – vorgenommen werden. Die Aufwendungen für derartige Behandlungen fallen nicht unter den Begriff der Heilbehandlung und sind somit keine Krankheitskosten, sondern Kosten der privaten Lebensführung, die nach § 12 Nummer 1 EStG steuerlich unbeachtlich sind.
Ist nicht eindeutig erkennbar, ob die medizinische Maßnahme der Heilung oder Linderung einer Krankheit dient, befindet sich der Steuerpflichtige nach allgemeinen Verfahrensgrundsätzen im Zweifel in der Beleg- und Nachweispflicht darüber, dass es sich bei seinen Aufwendungen um Krankheitskosten handelt.
Bis zur Änderung seiner langjährigen Rechtsprechung mit den Urteilen vom 11.11.2010, VI R 16/09, BStBl 2011 II S. 966 und VI R 17/09, BStBl 2011 II S. 969 forderte der BFH in diesen Fällen zum Nachweis der Aufwendungen stets ein vor der Behandlung ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Attest (u.a. BFH-Urteil vom 24.11.2006, III B 57/06, BFH/NV 2007 S. 438, betreffend Aufwendungen für eine Fettabsaugung). Mit der Änderung seiner Rechtsprechung hält der BFH nicht mehr an diesem formalisierten Nachweisverlangen fest.
Im Steuervereinfachungsgesetz 2011 wurden in Reaktion auf diese Rechtsprechungsänderung in § 64 Abs. 1 EStDV die derzeit geltenden Verwaltungsanweisungen (R 33.4 EStR 2008) zum Nachweis von Krankheitskosten im Wesentlichen gesetzlich festgeschrieben.
Der Anwendungskatalog des § 64 Abs. 1 EStDV enthält jedoch keine Regelung für Operationen aller Art, d.h. es gibt keine Regelung nach der ein vor Beginn der Maßnahme ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Attest gefordert werden kann.
Es ist daher wie folgt zu verfahren:
Der Steuerpflichtige hat die Zweckbestimmung seiner Behandlung anhand geeigneter Unterlagen nachzuweisen.
Ein Attest des behandelnden Arztes genügt grundsätzlich nicht. Sofern die Behandlung medizinisch indiziert ist, ist davon auszugehen, dass dem Steuerpflichtigen entsprechende Befundberichte vorliegen und er diese zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit vorlegen kann.
Die Umstände des Einzelfalles sind zu berücksichtigen (Art der Maßnahme, Krankheitsbild, Gründe für die fehlende Erstattung).
Der Nachweis einer medizinischen Indikation gilt auf jeden Fall dann als erbracht, wenn sich die Krankenversicherung oder der Beihilfeträger an den Behandlungskosten beteiligt hat.
Sollte die medizinische Notwendigkeit der Behandlung streitig werden, dann erleichtert ein bereits vor Beginn der Behandlung ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zur medizinischen Notwendigkeit der Behandlung die Nachweisführung.
Normenkette
EStG § 33;
EStDV § 64