2.1 Allgemeine Voraussetzungen

 

Rz. 5

Da § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG keine eigene Anspruchsgrundlage für einen Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers darstellt, sondern das Bestehen eines solchen i. S. d. § 3 EFZG vorausgesetzt wird, müssen stets neben den in § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG normierten Anforderungen auch die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 EFZG erfüllt sein.[1] Der nach § 3 Abs. 1 EFZG entstandene Entgeltfortzahlungsanspruch bleibt dem Arbeitnehmer nach oder trotz Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur erhalten, wenn eine Kündigung des Arbeitgebers aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit das Arbeitsverhältnis wirksam beendet hat (§ 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG).

 
Hinweis

Eine Kündigung des Arbeitgebers aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit in den ersten 4 Wochen des Arbeitsverhältnisses und damit während der Wartezeit (§ 3 Abs. 3 EFZG) bleibt nicht ohne rechtliche Folgen. Auch wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die Wartezeit (§ 3 Abs. 3 EFZG) noch nicht erfüllt hat und das Arbeitsverhältnis noch während der Wartezeit beendet wird und damit ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung gem. § 3 Abs. 1 EFZG noch nicht entstanden ist, steht dies der Anwendbarkeit des § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG nicht entgegen.[2] Der Entgeltfortzahlungsanspruch des bereits zu diesem Zeitpunkt erkrankten Arbeitnehmers entsteht dann nach Ablauf der 4-wöchigen Wartezeit ggf. bis zur Dauer von 6 Wochen.[3] Für die Vergangenheit entsteht selbstverständlich kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung.

2.2 Wirksame Kündigung des Arbeitgebers

 

Rz. 6

Ein Entgeltfortzahlungsanspruch nach §§ 3, 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG setzt voraus, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis wirksam gekündigt hat und die Kündigung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt. Eine unter Vorbehalt angenommene Änderungskündigung ist nicht ausreichend.[1]

Die Wirksamkeit der Kündigung, d. h., ob und zu welchem Zeitpunkt die Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet, beurteilt sich nach den allgemeinen zivil- und arbeitsrechtlichen Bestimmungen.[2] Die Kündigung ist auch dann wirksam, wenn der Arbeitnehmer keine oder nicht rechtzeitig Kündigungsschutzklage erhebt und die Kündigung daher als von Anfang an rechtswirksam anzusehen ist, §§ 4, 7 KSchG.[3] Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zwar nicht wirksam gekündigt hat, dieses aber durch ein Urteil des Arbeitsgerichts nach §§ 9, 10 KSchG aufgelöst wird. Denn in diesem Fall ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses letztlich auf die Kündigung des Arbeitgebers zurückzuführen und dieser soll in Anbetracht selbst gesetzter zusätzlicher Umstände, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitnehmer unzumutbar machen, nicht besser gestellt werden als ein Arbeitgeber, der den Arbeitnehmer zur Eigenkündigung i. S. d. § 8 Abs. 1 Satz 2 EFZG veranlasst hat.[4]

 

Rz. 7

Auf die Art der Kündigung kommt es nicht an. Es ist also unerheblich, ob der Arbeitgeber ordentlich oder außerordentlich kündigt.[5]

 
Hinweis

In der Praxis erlangt § 8 Abs. 1 Satz 1 überwiegend nur noch Bedeutung bei außerordentlichen Kündigungen oder aber bei ordentlichen Kündigungen mit sehr kurzen tariflichen Kündigungsfristen (z. B. Gebäudereinigerhandwerk, Baugewerbe), da im Übrigen bei ordentlichen Kündigungen der 6-wöchige Zeitraum der Entgeltfortzahlung ohnehin vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist beendet sein wird mit der Folge, dass § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG nicht eingreift.[6]

[1] ErfK/Reinhard, 24. Aufl. 2024, § 8 EFZG, Rz. 3; a. A. wohl Wedde/Kunz, EFZG, 2015, § 8, Rz. 12.
[2] Z. B. §§ 134, 138, 174, 613a Abs. 4, 622, 623, 626 BGB, §§ 1 Abs. 2, 3 KSchG, § 17 MuSchG, § 18 BEEG, § 102 BetrVG; Schmitt/Küfner-Schmitt, EFZG, 9. Aufl. 2023, § 8, Rz. 16.
[3] §§ 4, 7, 13 KSchG; Schmitt/Küfner-Schmitt, EFZG, 9. Aufl. 2023, § 8, Rz. 18.
[4] ErfK/Reinhard, 24. Aufl. 2024, § 8 EFZG, Rz. 14.
[5] ErfK/Reinhard, 24. Aufl. 2024, § 8 EFZG, Rz. 3; Schmitt/Küfner-Schmitt, EFZG, 9. Aufl. 2023, § 8, Rz. 13.
[6] ErfK/Reinhard, 24. Aufl. 2024, § 8 EFZG, Rz. 3; Schmitt/Küfner-Schmitt, EFZG, 9. Aufl. 2023, § 8, Rz. 14.

2.3 Aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit

 

Rz. 8

Weitere Voraussetzung eines Entgeltfortzahlungsanspruchs nach §§ 8 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1 EFZG ist, dass die Kündigung des Arbeitgebers aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers erfolgt. Diese Voraussetzung besteht aus einer objektiven und einer subjektiven Komponente.

2.3.1 Objektive Voraussetzungen

 

Rz. 9

In objektiver Hinsicht verlangt § 8 Abs. 1 Satz EFZG grundsätzlich, dass der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung arbeitsunfähig erkrankt ist und der Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit zum Anlass für die Kündigung nimmt.

2.3.1.1 Anlasskündigung

 

Rz. 10

Dem Arbeitnehmer bleibt der Entgeltfortzahlungsanspruch aus § 3 Abs. 1 EFZG nach § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG nur erhalten, wenn der Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeit zum Anlass für den Ausspruch einer Kündigung nimmt. "Anlass" meint den äußeren Anstoß im Sinne einer objektiven Ursache[1], während "Motiv"[2] den...

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