Katharina Haslach, Birgit Zimmermann
Rz. 28
Der Anlasskündigung des Arbeitgebers nach § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG wird der Fall gleichgestellt, dass der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis aus einem von dem Arbeitgeber zu vertretenden Grund kündigt, der den Arbeitnehmer zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 EFZG). Diese Regelung ist vergleichbar mit der Vorschrift des § 628 Abs. 2 BGB, die den Kündigungsgegner zum Schadensersatz verpflichtet, wenn dieser die Kündigung durch ein vertragswidriges Verhalten veranlasst hat. Zweck des § 8 Abs. 1 Satz 2 EFZG ist es zu verhindern, dass der Arbeitgeber sich seiner Entgeltfortzahlungsverpflichtung entzieht, indem er den Arbeitnehmer zur Eigenkündigung des Arbeitsverhältnisses nötigt.
3.1 Wirksame Kündigung des Arbeitnehmers
Rz. 29
Ein Entgeltfortzahlungsanspruch aus §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Satz 2 EFZG entsteht nur dann, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit wirksam kündigt. Zur Erhaltung des Entgeltfortzahlungsanspruchs des Arbeitnehmers trotz oder nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses müssen zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 EFZG noch die besonderen Tatbestandsmerkmale des § 8 Abs. 1 Satz 2 EFZG treten.
Rz. 30
Der Arbeitnehmer muss eine das Arbeitsverhältnis beendende wirksame Kündigung aussprechen, wobei es auf die Art der Kündigung nicht ankommt. Es genügt, wenn der Arbeitnehmer eine ordentliche Kündigung ausspricht. Im Hinblick auf die Frage, ob § 8 Abs. 1 Satz 2 EFZG auch auf andere Beendigungstatbestände, insbesondere einen Aufhebungsvertrag, analoge Anwendung finden kann, gelten keine anderen Grundsätze als bei der Anlasskündigung des Arbeitgebers nach § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG.
Rz. 31
Voraussetzung ist des Weiteren, dass der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung arbeitsunfähig ist. Erkrankt er erst nach Ausspruch der Kündigung, kommt nur ein Schadensersatzanspruch (§ 628 Abs. 2 BGB) in Betracht.
3.2 Vom Arbeitgeber zu vertretender wichtiger Grund
Rz. 32
Die Kündigung des Arbeitnehmers muss durch einen von dem Arbeitgeber zu vertretenden wichtigen Grund veranlasst sein und zwar auch dann, wenn der Arbeitnehmer das Verhalten des Arbeitgebers nur zum Anlass einer ordentlichen Kündigung nimmt. Damit nimmt die Regelung des § 8 Abs. 1 Satz 2 EFZG auf die Vorschrift des § 626 Abs. 1 BGB Bezug.
Rz. 33
Für das Vorliegen eines wichtigen Grundes müssen Tatsachen gegeben sein, aufgrund derer dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann (§ 626 Abs. 1 BGB). Der Arbeitgeber muss den wichtigen Grund für die Kündigung zu vertreten, also vorsätzlich oder fahrlässig verursacht haben (§ 276 Abs. 1 BGB). Die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB findet nach zutreffender Auffassung keine Anwendung. Der Arbeitnehmer kann während seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit das Arbeitsverhältnis auch dann kündigen, wenn der wichtige Grund länger als 2 Wochen zurückliegt. § 8 Abs. 1 Satz 2 EFZG zwingt den Arbeitnehmer nicht, eine außerordentliche Kündigung zu erklären, sondern verlangt nur das Vorliegen eines wichtigen Grundes i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB. Dann ist aber die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht zu beachten.
Als wichtiger Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB kommen für den Arbeitnehmer z. B. in Betracht:
- grobe Beleidigung durch den Arbeitgeber,
- ungerechtfertigte Verdächtigungen durch den Arbeitgeber (z. B. Diebstahl),
- Gehaltsrückstände in erheblicher Höhe oder über einen längeren Zeitraum,
- Missachtung zwingender Arbeitsschutzvorschriften.
3.3 Beweislast
Rz. 34
Der Arbeitnehmer trägt im Prozess vor dem Arbeitsge...