vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfindung – Zusammenballung von Einkünften
Leitsatz (redaktionell)
- Die ermäßigte Besteuerung einer Abfindung setzt voraus, dass diese als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt worden ist (als „Entschädigung”).
- Der Stpfl. muss durch den Wegfall von Einnahmen einen Schaden erlitten haben und die Zahlung (Abfindung) muss dazu bestimmt sein, diesen Schaden auszugleichen.
- Zu den Voraussetzungen einer Zusammenballung von Einkünften.
- Bei der Prüfung, ob eine Abfindung zu einer Zusammenballung von Einkünften geführt hat, sind die real verwirklichten Einkünfte mit den fiktiven Einkünfte zu vergleichen, die der Stpfl. in dem Streitjahr erzielt hätte, wenn das Arbeitsverhältnis nicht beendet worden wäre. Bei dieser Betrachtung sind auch Erkrankungen des Stpfl. und darauf beruhende voraussichtlich niedrigere Einkünfte zu berücksichtigen.
Normenkette
EStG § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2
Streitjahr(e)
2012
Tatbestand
Streitig ist, ob eine Abfindung ermäßigt zu besteuern ist.
Die Kläger sind Ehegatten, die zur Einkommensteuer zusammen veranlagt werden. Der Kläger erzielte als Außendienstmitarbeiter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er erkrankte im November 2010 und erhielt ab Dezember 2010 nur noch Krankengeld. Der Kläger war im Jahr 2011 und auch im Jahr 2012 dauerhaft erkrankt. Seit dem 1. April 2012 bezieht der Kläger eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Am 25. Mai 2011 kündigte sein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen. Der Kläger ging gegen die Kündigung gerichtlich vor. In der öffentlichen Sitzung des Arbeitsgerichts L vom 8. Dezember 2011 einigten sich der Kläger und der Arbeitgeber darauf, dass das Arbeitsverhältnis zum 31. Oktober 2011 endete. Der Kläger erhielt eine Abfindung in Höhe von 50.000 €. Der Kläger durfte noch offene Reisekosten bei dem Arbeitgeber abrechnen. Anschließend sollten sämtliche Ansprüche zwischen den Parteien aus dem Arbeitsverhältnis erledigt sein.
Im Streitjahr 2012 erhielt der Kläger von seinem Arbeitgeber laufende Einkünfte in Höhe von 5.166 € (vermutlich aufgrund der Reisekostenabrechnungen) sowie die Abfindung in Höhe von 50.000 €. Die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die Lohnersatzleistungen und die übrigen Einkünfte des Klägers entwickelten sich wie folgt:
Jahr |
Einkünfte des Klägers |
Einkünfte nichtselbst. Arbeit |
Krankengeld/Übergangsgeld/Arbeitslosengeld |
andere Summe der Einkünfte |
2008 |
124.687 € |
113.830 € |
0 € |
10.857 € |
2009 |
93.304 € |
85.841 € |
0 € |
7.463 € |
2010 |
91.495 € |
88.795 € |
688 € |
2.700 € |
2011 |
18.193 € |
4.581 € |
32.030 € |
13.612 € |
2012 |
55.035 € |
54.166 € |
29.826 € |
869 € |
In dem Einkommensteuerbescheid 2012 vom 10. Mai 2013 erfasste der Beklagte die erhaltenen Einnahmen in Höhe von 55.166 € bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Eine ermäßigte Besteuerung der Abfindung nahm der Beklagte nicht vor. Für die Frage, ob es durch die Abfindung zu einer Zusammenballung von Einkünften gekommen sei, stellte der Beklagte auf die Einkommenssituation des Klägers vor der Erkrankung ab. Gemessen an diesen Zahlen liege keine Zusammenballung von Einkünften vor.
Mit dem am 13. Mai 2013 eingelegten Einspruch begehrten die Kläger die ermäßigte Besteuerung der Abfindung. Die Entschädigungsleistungen seien dem Kläger zusammengeballt zugeflossen, weil die Entschädigungsleistung größer gewesen sei, als die entgangenen Einnahmen. Nach dem Anwendungserlass des BMF vom 24. Mai 2004, BStBl I 2004, 505 sei für die Prognose stets das Vorjahr maßgeblich. Der Kläger sei seit Ende 2010 krank gewesen. Ihm sei im Krankheitsstadium gekündigt worden, danach habe er eine Erwerbsunfähigkeitsrente erhalten. Nach Ablauf der Krankengeldzahlung hätte der Kläger entweder wegen der Krankheit selbst kündigen müssen (mit anschließender Arbeitslosigkeit) oder er hätte eine Erwerbsunfähigkeitsrente beziehen oder auf einen schlechter bezahlten Arbeitsplatz innerhalb der Firma wechseln müssen. In allen Fällen wären die Einkünfte bei weitem nicht mehr so hoch gewesen, wie in den Jahren zuvor. Dies zeige auch die Realität. Die Einnahmesituation in 2011 sei kein außergewöhnliches Ereignis gewesen, sondern das fortlaufende Ergebnis der bestehenden Situation, die in der Erwerbsunfähigkeitsrente geendet habe.
Mit Einspruchsbescheid vom 7. August 2013 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Es handele sich zwar um eine Entschädigung gemäß § 24 Nr. 1 EStG. Diese werde allerdings nur dann als außerordentliche Einkünfte im Sinne des § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 EStG ermäßig besteuert, wenn sie zu einer Zusammenballung von Einkünften führe, die die entgangenen Einnahmen übersteige. Für die Erstellung einer Prognose-Vergleichsberechnung sei der normale bzw. übliche Verlauf eines Veranlagungszeitraums entscheidend. Das Jahr 2011 sei nicht maßgeblich, weil es wegen der Krankheit des Klägers außergewöhnliche Umstände aufweise. Der Beklagte zog die Einkü...