rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungsmäßigkeit eines Fahrtenbuches trotz kleinerer Mängel und Ungenauigkeiten
Leitsatz (redaktionell)
- Kleinere Mängel und Ungenauigkeiten (im Streitfall: Verwendung von Abkürzungen für Kunden und Ortsangaben; fehlende Ortsangaben bei Übernachtung im Hotel; Differenzen aus dem Vergleich zwischen den Kilometerangaben im Fahrtenbuch und laut Routenplaner; keine Aufzeichnung von Tankstopps) führen nicht zur Verwerfung des Fahrtenbuchs und Anwendung der 1 %-Regelung, wenn die Angaben insgesamt plausibel sind (Anschluss an BFH, Urteil vom 10. April 2008 VI R 38/06, BFH/NV 2008, 1373). Maßgeblich ist, ob trotz der Mängel noch eine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben gegeben und der Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung des Dienstwagens möglich ist.
- Dem Finanzamt ist zuzumuten, fehlende Angaben zu Hotelübernachtungen aus vorliegenden Reisekostenunterlagen zu ermitteln, sofern ist sich nur um vereinzelte Fälle handelt (Abgrenzung zu FG Köln, Urteil vom 15. September 2016 10 K 2497/15, EFG 2016, 2081).
- In der Regel müssen die Angaben zu den Kilometerständen sofort, d.h. am Ende jeder Fahrt gemacht werden. Nur Präzisierungen des beruflichen Zwecks dürfen ggf. noch innerhalb einer Woche nachgeholt werden. Die Indizwirkung, die von fehlenden Gebrauchsspuren und einem gleichmäßigen Schriftbild eines Fahrtenbuches in Bezug auf eine unzulässige Nacherstellung ausgeht, kann vom Steuerpflichtigen entkräftet werden.
- Die Anforderungen an das ordnungsgemäße Führen eines Fahrtenbuches dürfen nicht überspannt werden, damit aus der widerlegbaren Typisierung der 1%-Regelung in der Praxis nicht eine unwiderlegbare Typisierung wird. Gerade im Hinblick auf die stark typisierende 1%-Regelung wäre dies aus verfassungsrechtlichen Gründen – es droht eine Übermaßbesteuerung – nicht zu rechtfertigen. Der BFH (etwa Urteil vom 13. Dezem-ber 2012 – VI R 51/11, BFHE 240, 69, BStBl II 2013, 385) stützt die Verfassungsmäßigkeit der 1%-Regelung als „grober Klotz” mit teilweise stark belastender Wirkung u.a. auf die Möglichkeit, zur Vermeidung einer Übermaßbesteuerung ein Fahrtenbuch zu führen (sog. Escape-Klausel).
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4
Streitjahr(e)
2014, 2015, 2016
Tatbestand
Der Kläger und seine im Januar 2020 verstorbene Ehefrau wurden in den Streitjahren 2014 bis 2016 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Rechtsnachfolger der verstorbenen Ehefrau sind der Kläger und die beiden gemeinsamen Kinder … und … .
Der Kläger ist Gesellschafter-Geschäftsführer der Firma X GmbH mit Sitz in Y (im Folgenden: GmbH). Im Rahmen des Anstellungsverhältnisses bei der GmbH wurde dem Kläger ein Pkw auch für die Nutzung zu privaten Zwecken überlassen. Hierfür versteuerte er einen geldwerten Vorteil. Den Anteil der privaten Nutzung berechnete er aufgrund von Fahrtenbüchern. Laut den vorgelegten Fahrtenbüchern ergab sich ein Anteil für Privatfahrten in Höhe von 5,28 % (2014), 4 % (2015) bzw. 6 % (2016).
Im Zuge einer Lohnsteueraußenprüfung bei der GmbH überprüfte der Prüfer die Fahrtenbücher und versagte deren Anerkennung. In den vorgelegten Fahrtenbüchern seien als Reiseziele lediglich Ortsnamen bzw. Abkürzungen der Ortsnamen angegeben. Ergänzungsblätter hätten den Fahrtenbüchern zum Zeitpunkt der Außenprüfung nicht beigelegen. Der Prüfer wandte daraufhin bei der Berechnung des geldwerten Vorteils die sog. 1 %-Regelung an.
In der Folge änderte das beklagte Finanzamt die Einkommensteuerbescheide 2014 bis 2016 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) und erhöhte den Arbeitslohn um den Pkw-Sachbezug in Höhe von 10.679 € (2014), 11.868,96 € (2015) und um 10.256,69 € (2016).
Gegen diese geänderten Einkommensteuerbescheide 2014 bis 2016 vom 8. Oktober 2018 wendeten sich der Kläger und seine verstorbene Ehefrau mit form- und fristgerechten Einsprüchen. Sie trugen vor, die Fahrtenbücher seien korrekt geführt worden. Die Beanstandungen durch den Lohnsteueraußenprüfer seien unbegründet. Es sei nicht erforderlich, als Ort oder Reiseziel im Fahrtenbuch die vollständige Adresse anzugeben.
Im Rahmen der weiteren Überprüfung im Einspruchsverfahren wies das beklagte Finanzamt darauf hin, dass in den Fahrtenbüchern keinerlei Umwegfahrten und Tankstopps aufgezeichnet seien. Bei längeren Autofahrten wichen die Kilometerangaben hin und zurück voneinander ab, ohne dass aus den Fahrtenbüchern eine Erklärung dafür hervorgehe. Als Entfernung zwischen dem Wohnort und der Firma seien durch alle drei Fahrtenbücher hindurch immer 20 km angegeben. Laut Routenplaner betrage die Entfernung aber 21 km, sodass sich dadurch Abweichungen ergeben müssten. Bei Autofahrten in größere Städte sei nie die Adresse am Ziel genannt. Eine Überprüfung des Fahrtenbuches sei ohne genauere Adressenangaben nicht möglich.
Auf eine Aufforderung des Beklagten hin reichte der Kläger mit Schreiben vom 7. Februar 2019 handschriftliche Aufzeichnungen über die Geschäftspartner, die der Kläger a...