Entscheidungsstichwort (Thema)

Zwangsvollstreckung

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine nur bedingte pfändbare Zuwendung aus Fürsorge und Freigebigkeit kann auch durch Verfügung von Todes wegen erfolgen.

 

Normenkette

ZPO § 850b I Nr. 3

 

Verfahrensgang

AG Friedberg (Hessen) (Beschluss vom 27.10.1999; Aktenzeichen 22 M 931/99)

LG Gießen (Aktenzeichen 7 T 556/99)

 

Tenor

Der Beschluß des Landgerichts Gießen – 7. Zivilkammer – vom 27. Oktober 1999 und der Beschluß des Amtsgerichts Friedberg vom 28. Juli 1999 werden aufgehoben.

Die Sache wird zu weiterer Sachaufklärung und erneuter Entscheidung über die Vollstreckungserinnerung des Schuldners vom 2. Juli 1999 an das Amtsgericht zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen wird.

Gegenstandswert: 28.375,04 DM.

 

Tatbestand

I.

Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Ausfertigung eines notariellen Schuldtitels wegen einer Gesamtforderung in Höhe von 28.375,04 DM. Sie erwirkte am 13. April 1999 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts Friedberg, durch welchen u. a. angebliche Forderungen des Schuldners gegen die zur Testamentsvollstreckerin über den Nachlaß seiner am 4. Februar 1996 verstorbenen Mutter I. M. berufene Drittschuldnerin auf Zahlung der gesamten ihm gegenwärtig und zukünftig aus der Erbschaft zustehenden Geldleistungen gepfändet und der Gläubigerin zur Einziehung überwiesen wurde.

In dem Testament der Erblasserin, dessen Einzelheiten mangels Vortage der Urkunde bzw. mangels präzisen Vertrags seines Inhalts nicht bekannt sind, ist der Schuldner als Vorerbe eingesetzt worden. Zu dem Nachlaß gehören zwei Eigentumswohnungen, aus deren Vermietung die Drittschuldnerin monatlich netto 2.700 DM erhält, sowie landwirtschaftliche Grundstücke, für die sie eine nicht näher bezifferte Pacht erzielt. Bis zur Beschlagnahme durch die Pfändung hat die Drittschuldnerin die Erträge aus der Vermietung der Wohnungen an den Schuldner ausgekehrt. Nach eigenen Angaben erzielt der Schuldner daneben aus der Vermietung des Hauses in R., in dem er wohnt, monatliche Einnahmen in Höhe von 400 DM. Darüber hinaus hat er unregelmäßige, geringe Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit; auch dazu sind nähere Einzelheiten nicht vorgetragen.

Gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluß legten sowohl die Drittschuldnerin als auch – mit anwaltlichem Schriftsatz vom 2. Juli 1999 – der Schuldner Erinnerung ein. Der Schuldner machte geltend, der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß sei unter Berücksichtigung von § 850 b Abs. 1 Nr. 3 ZPO aufzuheben, soweit laufende Erträge aus der Erbschaft unterhalb der Pfändungsfreigrenze gepfändet würden; unter Berücksichtigung der Mieteinnahmen von monatlich 400 DM sei ihm pfändungsfrei jedenfalls ein Mindestbetrag von 819,99 DM zu belassen.

Daraufhin änderte das Amtsgericht – Rechtspfleger – seinen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß „gemäß § 850 f ZPO i.V.m. § 765 a ZPO” nach Anhörung der Gläubigerin im Wege der Abhilfe dahingehend ab, daß dem Schuldner ein monatlicher pfändungsfreier Betrag in Höhe von 819,99 DM aus den Erträgen der Erbschaft belassen wurde. Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat das Landgericht mit dem mit der weiteren Beschwerde angegriffenen Beschluß die Abhilfeentscheidung des Amtsgerichts aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Amtsgericht habe seinen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß nicht abändern dürfen. § 850 f ZPO sei nicht einschlägig; eine sittenwidrige Härte im Sinne des § 765 a ZPO werde durch die Pfändung der Einkünfte des Schuldners über die Pfändungsfreigrenze hinaus nicht begründet. Eine beschränkte Pfändbarkeit der Einkünfte aus dem Nachlaß ergebe sich auch nicht aus § 850 b Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Rechtsgrund der Einkünfte des Schuldners sei seine eigene Rechtsstellung als Vorerbe, die anders als seine Erbeinsetzung selbst nicht mehr auf Fürsorge und Freigebigkeit eines Dritten beruhe; denn mit der Vorerbenstellung habe der Schuldner bereits eine vom Willen des Erblassers unabhängige eigene Rechtsposition erlangt. Wegen der ausführlichen Begründung insoweit wird auf den angefochtenen Beschluß samt Rechtsprechungs- und Literaturnachweisen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die nach §§ 568 Abs. 2 S. 1, 793 Abs. 2 S. 2 ZPO an sich statthafte und im übrigen auch nach § 568 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige sofortige weitere Beschwerde ist begründet.

1.

Zu Unrecht ist das Landgericht davon ausgegangen, daß eine Anwendbarkeit des § 850 b Abs. 1 Nr. 3 ZPO hinsichtlich der von der Drittschuldnerin an den Schuldner abgeführten monatlichen Mieteinnahmen nicht in Betracht komme.

1.1.

Die fortlaufenden monatlichen Einkünfte, die der Schuldner seitens der Drittschuldnerin erhält, sind gemäß § 850 b Abs. 1 Nr. 3 ZPO nur bedingt pfändbar, wenn der Schuldner diese Einkünfte „aufgrund der Fürsorge und Freigebigkeit” seiner verstorbenen Mutter bezieht.

Im Grundsatz zutreffend ist das Landgericht insoweit davon ausgegangen, daß eine Zuwe...

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