Leitsatz (amtlich)
1. Einem Vereinsmitglied steht ein aus dem Mitgliedschaftsverhältnis fließendes Recht gegen den Verein auf Übermittlung einer Mitgliederliste zu, die auch E-Mail-Adressen der Mitglieder enthält, soweit es ein berechtigtes Interesse hat und dem keine überwiegenden Geheimhaltungsinteressen des Vereins oder berechtigte Belange der Vereinsmitglieder entgegenstehen.
2. Ein berechtigtes Interesse an dem Erhalt der Mitgliederliste ist u. a. dann gegeben, wenn eine Kontaktaufnahme mit anderen Vereinsmitgliedern beabsichtigt ist, um eine Opposition gegen die vom Vorstand eingeschlagene Richtung der Vereinsführung zu organisieren.
3. 3.Das Vereinsmitglied kann in dem Fall nicht auf ein vom Verein eingerichtetes Internetforum verwiesen werden; es ist auch nicht auf die Auskunftserteilung an einen Treuhänder beschränkt.
4. Der Beitritt zu einem Verein begründet die Vermutung, auch zu der damit einhergehenden Kommunikation - auch per E-Mail - bereit zu sein. Eine erhebliche Belästigung geht damit regelmäßig nicht einher, zumal jedes Vereinsmitglied sich vor dem Erhalt unerwünschter E-Mails schützen kann.
5. Die Übermittlung von Mitgliederlisten ist mit dem Datenschutz vereinbar. Sie ist von dem Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 lit. b) DGSVO gedeckt.
Normenkette
BGB § 38; DSGVO Art. 5 Abs. 1 lit. a), Art. 6 Abs. 1 lit. b); UWG § 7 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Dortmund (Aktenzeichen 1 O 15/22) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 06.07.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Dortmund abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine Liste seiner Mitglieder, bestehend aus den Vor- und Zunamen, bei juristischen Personen den Namen dieser juristischen Person, sowie die Anschriften und die E-Mail-Adressen, in elektronisch verwertbarer Form zu übermitteln.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Als dessen Mitglied begehrt der Kläger von dem beklagten Verein die Übergabe einer Liste der Mitglieder des Vereins mit näher bezeichneten Angaben an sich selbst.
1. Der Kläger ist eines von etwa 5.500 Mitgliedern des Beklagten, einem eingetragenen Verein. Der Beklagte verfolgt den Zweck, die Interessen seiner Mitglieder, die an Unternehmen der Q.-Unternehmensgruppe beteiligt sind, zu vertreten (§ 2 Abs. 2 Satzung, Anlage K 1). Der Zweck des Vereins wird insbesondere verwirklicht durch die Unterstützung des klimaschützenden Umbaus der Energieversorgung, speziell die Förderung regenerativer Energien auf Basis von genossenschaftlichen oder rechtlich vergleichbaren Gesellschaftsformen (§ 2 Abs. 3 Satzung).
Die Satzung des Beklagten nimmt wiederholt auf die Möglichkeit einer Kommunikation des Beklagten mit seinen Mitgliedern per E-Mail Bezug. Eine ausdrückliche Verpflichtung der Mitglieder, eine E-Mail-Adresse mitzuteilen, sieht die Satzung des Beklagten nicht vor. Der Beklagte kommuniziert mit seinen Mitgliedern selbst auch per E-Mail (Bl. 6 eGA I). Der Beklagte stellt den Mitgliedern im Internet einen Mitgliederbereich zur Verfügung. Die Vereinsmitglieder können dort Gruppen einrichten und ihre Konzepte bzw. Vorschläge veröffentlichen. Die Einträge in diesem Bereich kontrolliert der Beklagte insofern, als er dort lediglich sachlich gehaltene Beiträge zulässt.
Der Kläger hatte in Vorbereitung der Mitgliederversammlung des Beklagten 2021 das Anliegen, mit den anderen Mitgliedern des Beklagten in Kontakt zu treten, um eine Opposition gegen das Vorgehen des Vorstands des Beklagten zu organisieren. Im Anschluss an die Mitgliederversammlung 2021 hatte er das Anliegen, mit den anderen Mitgliedern in Kontakt zu treten, um ggf. die Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung zu initiieren (§ 37 Abs. 1 BGB). Der Kläger verfolgt auch weiterhin das Interesse, mit den anderen Mitgliedern des Vereins im Hinblick auf die derzeitige "Vereinspolitik" in Kontakt zu treten, um die aktuelle Meinungsbildung zu beeinflussen.
Außer dem Kläger haben nach Auskunft des Vorstandsmitglieds des Beklagten in der mündlichen Verhandlung bislang keine anderen Mitglieder einen Antrag auf Übergabe der Mitgliederliste gestellt, um mit Kon-Mitgliedern in Kontakt zu treten.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er habe einen Anspruch auf Übermittlung einer Mitgliederliste mit Namen, Adressen und E-Mail-Adressen unmittelbar an sich - ohne die Einschaltung eines Treuhänders -, um mit den weiteren Vereinsmitgliedern eigenständig in Verbindung und Diskussion zu treten.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger eine Liste seiner Mitglieder bestehend aus den Vor- und Zunamen, bei juristischen Personen den Namen dieser juristischen Person, sowie die Anschriften und die E-Mail-Adressen in elektronisch verwertbarer Form zu übermitteln;
hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger eine Liste seiner Mitglieder bestehend aus den Vor- und Zunamen, bei juristischen Personen den Namen dieser juristischen Person, sowie die Anschriften in Form einer Abs...