Leitsatz (amtlich)
1. Leistungen aus einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung sind als Renten i.S.v. § 850 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zu qualifizieren.
2. Die generelle Übertragung der Pfändungsfreigrenzen (§ 850c ZPO) auf Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung ist nicht zulässig.
Normenkette
ZPO § 850 Abs. 1, § 850b S. 1 Nr. 1, § 850 Abs. 2, § 850c
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Beschluss vom 05.03.2001; Aktenzeichen 11 T 1/01) |
Gründe
I. Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen einer Gesamtforderung aus Lieferungen nebst Kosten der Rechtsverfolgung in der Höhe von 10.803,66 DM. Durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des AG Karlsruhe vom 7.11.2000 ließ sie sich die Ansprüche des Schuldners aus privaten Berufsunfähigkeitsversicherungen bei der … Versicherungs-AG und … Lebensversicherungs-AG pfänden und zur Einziehung überweisen. Auf die vom Schuldner hiergegen erhobene sofortige Beschwerde hob das LG den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auf und wies den Antrag der Gläubigerin auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zurück. Hiergegen wendet sich die Gläubigerin mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde.
II. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, weil die Entscheidung des LG zu Lasten der Gläubigerin einen neuen selbstständigen Beschwerdegrund enthält (§§ 793 Abs. 2, 568 Abs. 2 S. 2 ZPO). Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Leistungen, die der Schuldner aus zwei privaten Berufsunfähigkeitsversicherungen bezieht, sind als Renten, die wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit entrichtet werden (§ 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO) zu qualifizieren (OLG Oldenburg v. 23.6.1993 – 2 U 84/93, MDR 1994, 257 = OLGR Oldenburg 1994, 40; OLG München v. 13.3.1997 – 26 UF 1417/95, VersR 1997, 1520; OLG Jena v. 19.5.2000 – 5 W 129/00, OLGR Jena 2001, 51; vgl. auch BGH NJW 1978, 950 für den Fall einer Invalidenrente). Als solche sind sie grundsätzlich unpfändbar.
2. Allerdings können diese Bezüge nach den für Arbeitseinkommen geltenden Vorschriften gepfändet werden, wenn die Vollstreckung in das sonstige bewegliche Vermögen des Schuldners keinen Erfolg verspricht und wenn nach den Umständen des Falles, insbesondere nach der Art des beizutreibenden Anspruchs und der Höhe der Bezüge, die Pfändung der Billigkeit entspricht (§ 850b Abs. 2 ZPO). Während die erstgenannte Voraussetzung hier unstreitig erfüllt ist, fehlt es nach der zutreffenden Würdigung des LG an besonderen Umständen des Falles, die eine – teilweise – Pfändung als billig erscheinen lassen.
Zu Recht hat es das LG abgelehnt, Einkünfte aus Berufsunfähigkeitsversicherungen wie Arbeitseinkommen zu behandeln und deshalb die Zwangsvollstreckung jenseits der Pfändungsfreigrenzen (vgl. § 850c ZPO) zuzulassen. Auch der Senat vermag den gegenteiligen Standpunkt des Vollstreckungsgerichts nicht zu teilen. Richtig ist zwar, dass die Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung an die Stelle des früheren Arbeitseinkommens getreten sind, doch rechtfertigt diese wirtschaftliche Erwägung allein nicht, derartige Versicherungsleistung in gleicher Weise der Pfändung zu unterwerfen wie Arbeitseinkommen. Letzteres ist grundsätzlich pfändbar, auch wenn dabei die besonderen Vorgaben der §§ 850a bis 850i ZPO zu beachten sind (§ 850 Abs. 1 ZPO). Demgegenüber hat der Gesetzgeber Renten, die wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten sind (also auch Ansprüche aus Berufsunfähigkeitsversicherungen), grundsätzlich unpfändbar gestellt und nur in § 850b Abs. 2 ZPO die Möglichkeit geschaffen, in derartige Ansprüche zu vollstrecken, wenn dies nach den Umständen des Falles der Billigkeit entspricht. Diese unterschiedliche gesetzliche Regelung und die dahinter stehende Wertung verbieten nach Ansicht des Senates eine generelle Gleichbehandlung von Arbeitseinkommen und Rentenleistungen aus privaten Berufsunfähigkeitsversicherungen. Es bedarf vielmehr einer wertenden Einzelfallentscheidung nach Maßgabe von § 850b Abs. 2 ZPO.
3. Das LG ist – in Anwendung des dargelegten rechtlichen Maßstabes – zu dem zutreffenden Ergebnis gekommen, dass hier die Pfändung auch nur eines Teiles der monatlichen Versicherungsleistungen nicht der Billigkeit entspricht. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf diese Ausführungen Bezug.
Dr. Schilling Wellenreuther Dr. Bergmann
Richter am Richter am Richter am
OLG LG OLG
Fundstellen
Haufe-Index 1106517 |
InVo 2002, 238 |
KKZ 2004, 101 |
OLGR Düsseldorf 2002, 39 |
OLGR Frankfurt 2002, 39 |
OLGR Hamm 2002, 39 |
OLGR Köln 2002, 39 |
KG-Report 2002, 39 |
OLGR-BHS 2002, 39 |
OLGR-CBO 2002, 39 |
OLGR-KSZ 2002, 39 |
OLGR-KS 2002, 114 |
OLGR-KS 2002, 39 |
OLGR-MBN 2002, 39 |
OLGR-NBL 2002, 39 |
www.judicialis.de 2001 |