Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksame Ersatzzustellung an Drittschuldner durch Übergabe des Pfandungsbeschlusses an Vollstreckungsschuldner
Normenkette
ZPO §§ 185, 840
Verfahrensgang
LG Aachen (Aktenzeichen 10 O 593/98) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des LG Aachen vom 1.8.2000 – 10 O 593/98 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Berufung verfolgt den bereits erstinstanzlich umgestellten Antrag, die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der Drittschuldnerklage i.H.v. 3.151,32 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16.6.1999 zu erstatten, ohne Erfolg weiter. Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nach § 840 Abs. 2 S. 2 ZPO nicht zu, weil weder die Zustellung des Pfändungsbeschlusses (am 26.5.1998) noch diejenige des Überweisungsbeschlusses (am 14.7.1998) geeignet waren, eine Auskunftspflicht der Beklagten nach § 840 ZPO zu begründen. Die Ersatzzustellung des Pfändungsbeschlusses an die Beklagte als Drittschuldnerin durch Übergabe an den Schuldner, Herrn H.S., war unwirksam; die mit der Zustellung des Überweisungsbeschlusses erneuerte Aufforderung zur Auskunft blieb – unbeschadet der Frage einer formellen Wirksamkeit dieses Zustellungsaktes – mangels wirksamer Pfändung ebenfalls unwirksam.
1. Das LG hat die Ersatzzustellung des Pfändungsbeschlusses vom 14.5.1998 an den – wie es in der Zustellungsurkunde der Gerichtsvollzieherin heißt – „beim Empfänger freiberuflich tätigen” Schuldner für die Beklagte als Drittschuldnerin (= Zustellungsadressatin) mit Recht in entsprechender Anwendung des § 185 ZPO als unwirksam angesehen. Der Senat stimmt dieser in Rechtsprechung und Schrifttum vorherrschenden Auffassung (vgl. die Nachweise bei BAG v. 15.10.1980 – 4 AZR 662/78, NJW 1981, 1399 [1400] = MDR 1981, 346 und Hamme, NJW 1994, 1035 [1036] in Fn. 2; aus jüngeren Kommentierungen ferner: Musielak/Wolst, ZPO, 2. Aufl., § 185 Rz. 1; Wenzel in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 185 Rz. 3 unter Aufgabe der noch von Feldmann in der Vorauflage vertretenen Gegenmeinung) zu.
a) Die von der Berufung bezweifelte Analogiefähigkeit dieser Vorschrift ist bedenkenfrei zu bejahen. In der vom LG angeführten Entscheidung des BAG v. 15.10.1980 – 4 AZR 662/78 (NJW 1981, 1399 = AP § 829 ZPO Nr. 7 m. zust. Anm. Walchshöfer = DGVZ 1981, 7 = MDR 1981, 346) ist anhand der Entstehungsgeschichte des § 185 ZPO aufgezeigt (insoweit in BAG v. 15.10.1980 – 4 AZR 662/78, NJW 1981, 1399 = MDR 1981, 346 nicht mit abgedruckt), dass diese Vorschrift die Fälle, in denen eine Ersatzzustellung wegen Interessenkollision unzulässig sein soll, nicht abschließend regelt, dass der Gesetzgeber die Lückenhaftigkeit der Regelung vielmehr bewusst in Kauf genommen und der Ausfüllung durch die Rechtsprechung überlassen hat (hierzu auch Hamme, NJW 1994, 1035 [1038]). Durch die Vorschrift des § 841 ZPO (Verpflichtung des Gläubigers, dem Schuldner im Drittschuldnerprozess den Streit zu verkünden, damit er dem Rechtsstreit auf Seiten des Gläubigers beitritt) wird bereits deutlich, wie nahe der Schuldner einem Streitgehilfen des Gläubigers steht (auch darauf weist das BAG v. 15.10.1980 – 4 AZR 662/78, NJW 1981, 1399 = AP § 829 ZPO Nr. 7 m. zust. Anm. Walchshöfer = DGVZ 1981, 7 = MDR 1981, 346 hin). Dass der Streitgehilfe des Gegners diesem i.S.d. § 185 ZPO gleichsteht, ist nahezu allgemein anerkannt (vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 59. Aufl., § 185 Rz. 7; Wenzel in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 185 Rz. 3; Musielak/Wolst, ZPO, 2. Aufl., § 185 Rz. 1).
b) Auch der BGH verweist darauf, dass § 185 ZPO aufgrund seines Zwecks, die ohnehin schon riskantere Zustellung an Ersatzpersonen dort zu verhindern, wo wegen Interessenkollision die Gefahr der Nichtaushändigung des Schriftstücks an den Adressaten noch größer als normal ist, weit ausgelegt und auf alle Personen sinngemäß angewendet wird, zwischen denen eine vergleichbare Interessenkollision besteht (BGH, Urt. v. 11.7.1983 – II ZR 114/82, NJW 1984, 57 = GmbHR 1984, 101 = MDR 1984, 122 unter Bezugnahme unter anderem auf das vorgenannte Urteil des BAG). Die vergleichbare Interessenlage bei Zustellung des für den Drittschuldner bestimmten Pfändungsbeschlusses durch Übergabe an den Vollstreckungsschuldner gebietet die entsprechende Anwendung des § 185 ZPO, wie das LG dies in Anlehnung an die Entscheidung des BAG und die Abhandlung von Hamme (BAG v. 15.10.1980 – 4 AZR 662/78, NJW 1981, 1399 = AP § 829 ZPO Nr. 7 m. zust. Anm. Walchshöfer = DGVZ 1981, 7 = MDR 1981, 346; Hamme, NJW 1994, 1035 [1038]) zutreffend ausgeführt hat. Der Schuldner könnte versucht sein, den Pfändungs-/Überweisungsbeschluss zu unterdrücken, um zu verhindern, dass der Drittschuldner die gepfändeten Beträge an den Gläubiger zahlt. Dabei kann es aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, die bei der Zustellung gewährleistet sein muss, nicht darauf ankommen, dass na...