Prof. Dr. jur. Tobias Huep, Stefanie Hock
Während der Dauer eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitnehmers sind Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wie die Lohnpfändung nach § 89 Abs. 1 InsO im Interesse einer gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung unzulässig. Das Vollstreckungsverbot gilt umfassend für Insolvenzgläubiger. Andere, insbesondere "neue" Gläubiger sowie aus- und absonderungsberechtigte Gläubiger dürfen ebenfalls nicht in künftige Forderungen vollstrecken (anders jedoch in der sog. Wohlverhaltensperiode).
Das während eines Insolvenzverfahrens fortlaufend neu entstehende und fällig werdende Arbeitseinkommen gehört, soweit es nach § 850c ZPO allgemein pfändbar ist, als Neuerwerb zur Insolvenzmasse. Die nach § 850c ZPO pfändbaren künftigen Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis des Schuldners sollen insbesondere für eine Restschuldbefreiung des Schuldners erhalten bleiben (die Regelung des § 89 Abs. 2 InsO steht in unmittelbarem Zusammenhang zum Verfügungsverbot des § 81 Abs. 2 InsO).
Nicht nach § 35 InsO zur Insolvenzmasse gehört Arbeitseinkommen, das über die Pfändungsgrenze des § 850c ZPO hinaus für Gläubiger gesetzlicher Unterhaltsansprüche oder für Gläubiger einer Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung weitergehend pfändbar ist. Dieser Teil des künftig fällig werdenden Einkommens kann daher auch während eines Insolvenzverfahrens für Gläubiger gepfändet werden, die nach § 850d oder § 850f Abs. 2 ZPO privilegiert und keine Insolvenzgläubiger sind.
Arbeitseinkommen, das zur Insolvenzmasse gehört, kann der Arbeitgeber nicht mehr an den Schuldner und ebenso nicht an dessen Pfändungsgläubiger leisten. Es hat der Arbeitgeber daher auch von sich aus (ohne Änderung des Pfändungsbeschlusses) zu beachten, dass mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Pfändung unwirksam geworden ist. Nur wenn zur Zeit der Leistung an den pfändenden Gläubiger der Arbeitgeber die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht kannte, hat eine Zahlung noch schuldbefreiende Wirkung (Drittschuldnerschutz). Vermutet wird, dass die Verfahrenseröffnung nicht bekannt war, wenn eine Leistung des Drittschuldners vor deren öffentlicher Bekanntmachung erfolgt ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist eine Sicherung oder Befriedigung, die im Wege der Zwangsvollstreckung innerhalb der letzten 3 Monate vor Insolvenzantragstellung erlangt wurde, inkongruent und kann vom Insolvenzverwalter angefochten werden. Erfasst werden die in diesem Zeitraum entstehenden, der Pfändung unterworfenen Forderungen. Dies sind die regelmäßig monatlich neu entstehenden Lohnansprüche des Schuldners der letzten 3 Monate vor Antragstellung.
Diese nicht leicht verständlichen Regelungen der InsO werden einem Arbeitgeber nicht ohne Weiteres vertraut sein. In allen Zweifelsfällen empfiehlt es sich daher, rechtskundigen Rat bei einem Angehörigen der rechtsberatenden Berufe einzuholen oder beim Insolvenz- oder Vollstreckungsgericht Rückfrage zu nehmen.