Prof. Dr. Hans-Dieter Litke, Dr. Ilonka Kunow
Eine wichtige Planungsaufgabe ist es dem Projektablauf eine Struktur zu geben. Mit den Phasenplänen erhalten Sie eine einfache, aber rein lineare Struktur - für besonders komplexe Projekte sicherlich nicht ausreichend. Hier empfiehlt es sich, dass Sie als Projektleiter zusammen mit Ihrem Team einen klaren und vollständigen Plan entwerfen, der nicht nur den Ablauf des Projekts im Detail klärt, sondern auch alle Zusammenhänge zwischen Projektstellen, Aufgaben und Kompetenzen verdeutlicht. Es mag sein, dass Sie dabei zunächst auch auf unbekannte Größen stoßen. Diese Situation ist ganz normal. Sie werden – besonders in der Vorlauf- und Startphase des Projekts – generell selten über alle benötigten Informationen verfügen, um von Anfang an alles in eine eindeutige Richtung lenken zu können. Und die Informationen, die Sie haben, sind die Teile eines Puzzles, dessen Motiv Sie noch nie gesehen haben.
Verkettete Abläufe erfassen
Das Problem begrenzter Informationsverarbeitung
An dieser Stelle lohnt ein kurzer Blick auf wissenschaftliche Einsichten, die unsere Denkgewohnheiten betreffen. Der Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften, H. A. Simon, spricht in diesem Zusammenhang von der "beschränkten Rationalität" des Menschen: Die Informationen, die uns für Entscheidungen in vielschichtigen Situationen zur Verfügung stehen, sind nicht nur begrenzt; wir können oft selbst die vorhandenen gar nicht alle verarbeiten. Es ist erwiesen, dass unser Denken bei weitem nicht ausreicht, die Komplexität unserer Umwelt nachzuvollziehen – dazu ist es nicht vernetzt genug.
Dies lässt sich auch auf die Planung umfangreicher Projekte übertragen. Je komplexer die Aufgabenstellung ist, desto weniger genügt ein rein lineares, d. h. "Schritt-für-Schritt-Denken", um die Abläufe festzulegen und trotzdem den Überblick zu behalten. Daher plant man Projekte häufig mit der Netzplantechnik.
Das Projekt-Planungssystem der Weltbank
Die Weltbank bearbeitet ihre Projekte mit einem mehrstufigen Planungsverfahren, das auf dem Netzwerkprinzip (Logical Framework) beruht. Dabei versucht man, die menschlichen Denk- und Entscheidungsprozesse so auseinander zu nehmen, dass ein Netzwerk aus einzelnen Bausteinen entsteht. Diese Bausteine werden in logischen Schritten angeordnet, die eine systematische Abarbeitung erlauben. Am Anfang steht eine genaue Analyse des Projektfeldes (Situationsanalyse), die alle dazugehörigen Bestandteile benennt und modellhaft deren Ist-Zustand darstellt. Dabei untersucht man, wie die einzelnen Bausteine zusammen- oder voneinander abhängen. (Wer sich schon einmal mit der Systemtheorie beschäftigt hat, dem wird dieser Denkansatz bekannt vorkommen.) Schließlich werden auf verschiedenen Ebenen Ziele festgelegt (Soll-Zustand), die dafür benötigten Mittel geplant, gesteuert und zuletzt überprüft, inwieweit die Ziele erreicht wurden.
Einen Netzplan erstellen
Die Netzplantechnik wird im PM häufig für zwei Instrumente, den Projektstrukturplan und den Ablaufplan, verwendet:
- Ziel des Projektstrukturplans ist es die Projektaufgaben in einzelne Teilaufgaben (Arbeitspakete) zu zerlegen, diese Aufgaben zu verteilen und festzustellen, ob eine Teilprojektbildung nötig wird.
- Ziel des Ablaufplans ist es den logischen Ablauf und den Zusammenhang aller einzelnen Aktivitäten, die die Arbeitspakete enthalten, darzustellen. Dabei wird der Strukturplan im Prinzip weiter verfeinert.
Allerdings ist die Erstellung und Überwachung eines Netzplans mit erheblichem Aufwand verbunden. Nicht selten kommt es vor, dass noch aus der Projektgründungszeit stammende Pläne an der Wand vergilben, weil nach eingetretenen Änderungen niemand sich die Mühe machen wollte, die akribisch erstellten Übersichten zu aktualisieren.
Dennoch halten wir gerade die Erstellung eines Strukturplans für sehr wichtig. Mit ihm erhalten Sie und Ihre Mitarbeiter einen Überblick, was alles im Projekt zu erledigen ist, und können Zusammenhänge und Nahtstellen zwischen den einzelnen Projektstellen erkennen. Damit wird das gesamte Projektgeschehen transparent gemacht.
Vorteile von Netzplänen
- Alle notwendigen Arbeiten werden erfasst und in eine logische Reihenfolge gebracht.
- Für jede Teilaufgabe können Sie Ergebnisziele, Personal- und Materialaufwand ermitteln und später leichter kontrollieren.
- Aus dem Strukturplan können Sie die Termin- und Kostenpläne ableiten.
- Er bildet auch idealerweise den Ausgangspunkt für die Projektdokumentation (Projektberichte).
- Als Projektleiter bekommen Sie Entscheidungshilfe, ob die Bildung von Teilprojekten notwendig wird. Die Hierarchisierung in Teilprojekte und -aufgaben ermöglicht dann eine sinnvolle Verteilung der PM-Kompetenzen.
Wie Sie den Plan erstellen
An die Spitze des Plans kommt die Hauptaufgabe, das übergeordnete Projektziel, welches das gesamte Team betrifft. Darunter werden hierarchisch die Teilaufgaben angeordnet, die eventuell wiederum in Unteraufgaben zerlegt werden können. Irgendwann kommen Sie zu Aufgaben, die Sie nicht mehr zerteilen können,...