Prof. Dr. Hans-Dieter Litke, Dr. Ilonka Kunow
Aufwandsschätzung – ein notwendiges Übel
"Wann wird das Projekt fertig?" – "Wie viel wird es kosten?" Dies sind zwei unangenehme Fragen, die der Auftraggeber dem Projektverantwortlichen als allererstes stellen wird. Und jetzt dürfen Sie keinesfalls Antworten geben wie "Keine Ahnung", "Das sehen wir dann schon" oder gar: "Da könnte ich Ihnen jetzt viel erzählen…". Aber auch, wenn Sie auf Anhieb einen auf die Stunde exakten Termin in zwei Jahren und einen pfenniggenauen Betrag nennen, wirken Sie nicht besonders glaubwürdig. Übrigens: Beides, Zeit und Geld, wird auch die Unternehmensleitung und andere mit dem Projekt befasste Führungsgremien brennend interessieren!
Mit was können Sie rechnen?
Schon in der Anfangsphase eines Projekts, z. B. für die Vorstudie, sollen Sie also überblicken können, wie viel Ressourcen Sie benötigen – und das bei den ganzen Unwägbarkeiten, die ein Projekt birgt. Zugegeben, eine heikle Aufgabe. Realistische Schätzungen sind in der Tat immer schwer durchzuführen. Aber verlieren Sie nicht den Mut: Es gibt dafür Verfahren – wenn Sie auch bei keinem sicher sein können, dass es hundertprozentig funktioniert, denn:
- Es passieren in jedem Projekt unerwartete Dinge, die noch mehr Zeit und noch mehr Geld kosten. ("Erstens kommt es anders, zweitens…")
- Sie sind kein Hellseher, sondern haben auch nur Ihre Erfahrungen und versuchen Ihr Möglichstes.
- Es gibt keine Standards für einmalige Vorhaben.
Um Auskunft über Termine geben zu können, müssen Sie die Termine planen. Und für die Kosten können Sie im Rahmen Ihrer Projektplanung eine Aufwandsschätzung und eine Kosten-Nutzen-Analyse vornehmen.
Termine planen
Termine festzusetzen ist ein wichtiger Schritt der Projektplanung. In vielen Projekten wird der Einhaltung von Terminen sogar ein höherer Stellenwert eingeräumt als der Einhaltung der vorgesehenen Kosten.
Das Unternehmen arbeitet an einer Produktentwicklung. Man weiß, dass der Wettbewerb Anstrengungen in eine ähnliche Richtung unternimmt. Nur, wenn es das Unternehmen schafft, sein Produkt vor der Konkurrenz auf den Markt zu bringen, kann es einen Vorsprung erzielen. Vor allem, wenn das neue Produkt in hoher Stückzahl zu einem fixen Termin auf dem Markt erscheinen soll, können Verzögerungen teuer werden: Ein um sechs Monate verspäteter Markteintritt kann nach Untersuchungen Gewinneinbußen von bis zu 30 Prozent bedeuten.
Im Anlagenbau kommt es ebenso auf einen möglichst frühen Fertigstellungstermin an: Je früher eine Produktionsanlage in Betrieb gehen kann, desto eher bringt sie dem Unternehmen Einnahmen.
Termintreue ist auch deswegen wichtig, um dem bekannten Dominoeffekt vorzubeugen: Treten nämlich Verzögerungen im Terminablauf ein, weil etwa ein Zwischenprodukt nicht rechtzeitig fertig geworden ist, liegen womöglich an anderen Projektstellen Kapazitäten brach, weil ohne dieses Ergebnis dort nicht weitergearbeitet werden kann.
Eine Terminliste erstellen
In einer Terminliste können Sie einzelne Arbeitsschritte und die Termine für die Fertigstellung eintragen. Eine weitere Spalte können Sie zusätzlich für die tatsächlich eingehaltenen Termine einrichten. Eine solche Liste (am besten in Tabellenform) ist schnell erstellt, aber auch nur für kleinere Projekte geeignet, in der wenig Vorgänge miteinander verknüpft sind.
Mit einem Balkendiagramm den Überblick gewinnen
Das Balkendiagramm ist eine weitere, einfache und recht verbreitete Methode der Terminplanung. Dabei werden auf einer Zeitachse die einzelnen Aktivitäten mit ihren Anfangs- und Endterminen in Balkenform angetragen. Hierbei können Sie allerdings die Verknüpfungen, die zwischen den einzelnen Aufgaben bestehen, nicht so gut erkennen wie bei einem Strukturplan. Beide Übersichten sollten sich daher am besten ergänzen. Wie beim Netzablaufplan übrigens auch können Software-Programme die Überwachung des Balkendiagramms unterstützen.
Kapazitäten ermitteln
Kapazitäten ermitteln bedeutet eine Antwort zu finden auf die Frage: "Wie lange braucht die Person X für die Aktivität Y?" Der Aufwand wird dabei in Personentagen oder -wochen bzw. -monaten geschätzt. Kapazitätenplanung ist daher Personalplanung oder Bedarfsplanung.
Es gibt hierfür verschiedene Methoden, die wir in diesem Rahmen allerdings nicht vorstellen können. Zudem garantiert keine der gebräuchlichen Verfahren die Richtigkeit der Ergebnisse. Ob Sie sich nun von Ihren Erfahrungen leiten lassen oder einer bestimmten Methode den Vorzug geben – für alle Verfahren gilt:
- In einem frühen Stadium der Projektentwicklung können die abgegebenen Werte nicht absolut verbindlich sein. Seien Sie daher bei frühen Schätzungen vorsichtig.
- Es gibt nicht nur einen Lösungsweg.
- Erfahrungsstand und Denkmuster der Menschen sind nie gleich und schon gar nicht normierbar.
- Die verwendeten Informationen sind immer lückenhaft.
- Neue Aktivitäten im Verlauf des Projekts werden immer wieder zu Korrekturen führen.
Die Setzung der Termine für bestimmte Aktivitäten, Zwischenergebnisse oder Meilensteine geht in der...