4.1 Wertschöpfung identifizieren
Im Lean Management unterscheiden wir grundsätzlich zwischen Wertschöpfung und Verschwendung. Wertschöpfung sind alle Anstrengungen, die dem Unternehmen einen Wert schaffen, die Kundenerwartungen erfüllen oder das Kundenerleben verbessern. Kundenerwartungen und Kundenerleben zahlen selbst auf den Unternehmenswert ein, denn sie helfen, den Marktanteil für das Unternehmen zu steigern.
Als Verschwendung werden alle Anstrengungen gesehen, die für das Unternehmen und für die Kunden keinen Wert darstellen. Dazu zählen in erster Linie redundante Arbeiten, Suchen und Sortieren, Korrigieren von Fehlern und Kontrolle.
4.2 Direkte und indirekte Wertschöpfung
Gutes Prozessdesign verfolgt das Ziel, die gesamte Arbeit im Prozess auf die Wertschöpfung zu konzentrieren und Verschwendung zu vermeiden. Für die ganze Wahrheit müssen wir aber neben den beiden Kategorien noch Abstufungen beachten:
- Nicht alle Stakeholder sind Kunden und die Erfüllung von Stakeholdererwartungen steigert nicht unbedingt den Marktanteil. Nichtsdestotrotz müssen wir diese Erwartungen erfüllen. Gesetzliche und regulatorische Vorgaben zu erfüllen, zählt also ebenso zur Wertschöpfung.
- Nicht jede Wertschöpfung kommt unmittelbar einem Kunden zugute. Viel Aufwand setzen wir auch darein, die Leistungsfähigkeit für den nächsten Kunden (wieder)herzustellen. Zu dieser indirekten Wertschöpfung zählen Instandhaltung, Dokumentation von Kundenwissen, Lernen und die Arbeit an der Prozesssicherheit.
4.3 Kundenerwartungen verstehen und bewerten
Aus diesem Begriff von Wertschöpfung folgt unmittelbar, dass wir für ein gutes Prozessdesign die Kunden- und Stakeholdererwartungen kennen und bewerten müssen. Nicht jeder Wunsch, der von einer Führungskraft an die Personalabteilung herangetragen wird, ist gleich eine relevante Kundenerwartung für alle Personalprozesse. Erkennen und Bewerten von Kundenerwartungen ist also ein umfangreicher und iterativer Prozess. Das geht natürlich nicht ohne die Kunden.
Eine wichtige Optimierung in Prozessen ist dabei schon die Identifizierung und Priorisierung von Stakeholdererwartungen. Haben wir die gesetzlichen Anforderungen wirklich verstanden oder liefern wir „vorsichtshalber“ mehr Informationen und bereiten Auswertungen in verschiedene Richtungen auf? Gibt es interne Stakeholder, die seit Jahr und Tag Listen und Auswertungen zu Personalthemen bekommen, welche aber längst durch andere Formate überholt sind? Das Auswertungswesen ist sehr häufig ein Sündenpfuhl falsch verstandener Stakeholdererwartungen.
4.4 Verschwendung erkennen: die "Sieben Todsünden der Verschwendung"
Viele unserer Prozesse im Arbeitsalltag sind mehr von Verschwendung als von Wertschöpfung gekennzeichnet. Solange wir nicht „draufschauen,“ bemerken wir das nicht. Die Abläufe sind über die Zeit so gewachsen und werden von niemandem in Frage gestellt. Sie laufen im "Autopilot". Sobald wir die Prozesse aber beobachten, fällt uns auf, wie viel Arbeit wir mit nutzlosen Dingen verbringen.
Im Prozessmanagement verwenden wir ein Beobachtungsschema, das uns hilft, diese Verschwendung schneller zu erkennen und zu diskutieren. Dieses Schema ist unter dem Namen TIMWOOD weithin bekannt geworden. Das Akronym steht für die englischen Begriffe der "Sieben Todsünden der Verschwendung":
- Transport: Unnütze Bewegungen von Gütern innerhalb und außerhalb des Unternehmens
- Inventory (Lagerbestände): Zu hohe Bestände an Waren aller Art
- Movement: Unnütze Bewegungen von Personen im Arbeitsprozess
- Waiting: Wartezeiten im Arbeitsprozess, Verwaltung von Warteschlangen
- Overproduction: Produktion von Leistung über den Bedarf hinaus
- Overprocessing: Zu viele Arbeitsschritte zur Erreichung eines Arbeitsziels
- Defects: Fehler, Korrektur von Fehlern, Schadenbegrenzung, Schadenreparatur
Das TIMWOOD-Konzept kommt (wie die gesamte Lean-Management-Schule) aus dem Produktionsumfeld und wurde in der Automobilindustrie zuerst bekannt. Wenn wir das Schema auf administrative Prozesse im HR übertragen, müssen wir den Blick etwas erweitern.
4.4.1 Transport
Im Personalprozess bewegen wir keine Güter, aber wir können das Konzept auf die Personen übertragen, die wir in den Prozessen verwalteten. Die werden nicht nur passiv von A nach B „umgelagert“, sie müssen vielleicht selbst „von Pontius zu Pilatus“ laufen, telefonieren oder mailen. Wie viele Kommunikationspartner hat ein Mitarbeiter in einem Recruitingprozess zu kontaktieren? Wie häufig muss ein Anfragesteller von einem Ansprechpartner zu einem anderen weitergeleitet werden?
Transport können wir aber auch auf Daten beziehen: Wie häufig beschäftigen wir uns damit, Informationen von einem System in ein anderes zu übertragen? Wie sehr beschäftigen wir uns mit dem Management von Schnittstellen – organisatorischen und technischen?
4.4.2 (Inventory)
Natürlich lagern wir keine Personen, aber HR verantwortet den Personalbestand. Wie viele Personen werden für die operativen Prozesse im Unternehmen tatsächlich benötigt und wo haben wir zu viele Personen auf der Payroll? Wie lange sind Bewerber im Talent-Pool noch „frisch“ und wie sehr lassen wir uns von Karteileichen in die Irre führen? Arbeiten wir beim Recruiting nach Quantität oder nach Qualität der Bewerbungen?
4.4.3 Movement
Wie ...