Viele unserer Prozesse im Arbeitsalltag sind mehr von Verschwendung als von Wertschöpfung gekennzeichnet. Solange wir nicht „draufschauen,“ bemerken wir das nicht. Die Abläufe sind über die Zeit so gewachsen und werden von niemandem in Frage gestellt. Sie laufen im "Autopilot". Sobald wir die Prozesse aber beobachten, fällt uns auf, wie viel Arbeit wir mit nutzlosen Dingen verbringen.

Im Prozessmanagement verwenden wir ein Beobachtungsschema, das uns hilft, diese Verschwendung schneller zu erkennen und zu diskutieren. Dieses Schema ist unter dem Namen TIMWOOD weithin bekannt geworden. Das Akronym steht für die englischen Begriffe der "Sieben Todsünden der Verschwendung":

  • Transport: Unnütze Bewegungen von Gütern innerhalb und außerhalb des Unternehmens
  • Inventory (Lagerbestände): Zu hohe Bestände an Waren aller Art
  • Movement: Unnütze Bewegungen von Personen im Arbeitsprozess
  • Waiting: Wartezeiten im Arbeitsprozess, Verwaltung von Warteschlangen
  • Overproduction: Produktion von Leistung über den Bedarf hinaus
  • Overprocessing: Zu viele Arbeitsschritte zur Erreichung eines Arbeitsziels
  • Defects: Fehler, Korrektur von Fehlern, Schadenbegrenzung, Schadenreparatur

Das TIMWOOD-Konzept kommt (wie die gesamte Lean-Management-Schule) aus dem Produktionsumfeld und wurde in der Automobilindustrie zuerst bekannt. Wenn wir das Schema auf administrative Prozesse im HR übertragen, müssen wir den Blick etwas erweitern.

4.4.1 Transport

Im Personalprozess bewegen wir keine Güter, aber wir können das Konzept auf die Personen übertragen, die wir in den Prozessen verwalteten. Die werden nicht nur passiv von A nach B „umgelagert“, sie müssen vielleicht selbst „von Pontius zu Pilatus“ laufen, telefonieren oder mailen. Wie viele Kommunikationspartner hat ein Mitarbeiter in einem Recruitingprozess zu kontaktieren? Wie häufig muss ein Anfragesteller von einem Ansprechpartner zu einem anderen weitergeleitet werden?

Transport können wir aber auch auf Daten beziehen: Wie häufig beschäftigen wir uns damit, Informationen von einem System in ein anderes zu übertragen? Wie sehr beschäftigen wir uns mit dem Management von Schnittstellen – organisatorischen und technischen?

4.4.2 (Inventory)

Natürlich lagern wir keine Personen, aber HR verantwortet den Personalbestand. Wie viele Personen werden für die operativen Prozesse im Unternehmen tatsächlich benötigt und wo haben wir zu viele Personen auf der Payroll? Wie lange sind Bewerber im Talent-Pool noch „frisch“ und wie sehr lassen wir uns von Karteileichen in die Irre führen? Arbeiten wir beim Recruiting nach Quantität oder nach Qualität der Bewerbungen?

4.4.3 Movement

Wie häufig müssen HR-Mitarbeiter von einem Kollegen zum anderen laufen, um an Informationen zu kommen? Wenn wir von Movement als Verschwendungsfaktor sprechen, dann meinen wir hier die überflüssigen Bewegungen derer, die die HR-Arbeit erledigen. Vielleicht müssen wir heute weniger körperlich durch das Büro laufen und kommunizieren stattdessen auf elektronischen Wegen – aber die Verschwendung bleibt die Gleiche: zu viel unnötige Kommunikation.

4.4.4 Waiting

Wenn wir auf Wartezeiten schauen, dann fällt der Blick schnell wieder auf den Recruitingprozess: Wie lange warten Interessenten auf Rückmeldung, wie lang ist ein Hiring-Prozess? Wann bekommen Mitarbeiter Antwort auf Anfragen zu Personalthemen?

4.4.5 Overproduction

Kann man zu viel Personal „produzieren“? Nicht selten kommt es vor, dass Personal am Bedarf vorbei rekrutiert wird oder Personalentwicklungsmaßnahmen vorgehalten werden, die auf keine Resonanz stoßen. Vielleicht investieren HR-Teams auch innovative Personalbindungsinstrumente, die aber am tatsächlichen Bedarf der Mitarbeitenden vorbei gehen?

4.4.6 Overprocessing

Diese Verschwendungskategorie ist der Klassiker in allen administrativen Prozessen. Hier fällt jedes überflüssige Formular auf, jede Excel-Tabelle, die nicht sinnvoll genutzt wird, jede Auswertung, die niemand liest.

Sehr häufig finden wir auch ein Übermaß an Kontrolle: Zur Vermeidung von Fehlern wird jeder Abrechnungsvorgang dreimal geprüft. Zu viel Kontrolle ist Overprocessing, also Verschwendung. Zur Minimierung ist es besser, die Arbeitsprozesse zu strukturieren und Fehlerquellen zu beheben, statt in jeder Ausführung nachträglich gemachte Fehler zu erkennen und zu korrigieren.

Meetings sind ein sehr verbreiteter und nie versiegender Quell von Verschwendung. Wieviele Routine-Termine werden Woche für Woche anberaumt und ohne nennenswertes Ergebnis abgesessen? Wie effektiv werden Besprechungen in den Prozessen genutzt?

Redundante Daten gehören ebenso zum Overprocessing. Wie viel Zeit verbringen Mitarbeiter damit, Listen mit gleichem Inhalt zu vergleichen, um Abweichungen zu korrigieren? Jede Information, die auf zwei oder mehr Trägern gespeichert ist, verursacht Verschwendung. Selbst wenn sie nicht „von Hand“ übertragen, sondern von automatischen Schnittstellen übertragen wird, zieht Datenredundanz unweigerlich unnütze Arbeitsschritte nach sich.

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