Digitalisierung verändert Prozesse. Wie oben geschildert, hängen (fast) alle Maßnahmen zur Prozessoptimierung davon ab, dass die IT mitspielt. Prozessoptimierungen sind ohne die IT also nicht zu haben. Das gilt aber auch umgekehrt: Wer digitale Lösungen einführt, muss auch die Prozesse ändern. Mehr noch: Der Benefit (betriebswirtschaftlich ausgedrückt als Return on Investment, RoI) kann niemals durch die Einführung einer IT-Lösung erwirtschaftet werden. Er entsteht erst, wenn die Arbeitsprozesse dank der IT-Lösung so optimiert wurden, dass der Nutzen realisiert wird.
Erst die Prozessveränderung ermöglicht den Benefit von IT-Lösungen. Angesichts dieser Weisheit wundert es immer wieder, dass Unternehmen Projekte starten, diese oder jene IT-Lösung einzuführen. Die Projekte nennen sich "neues ERP-System", "Einführung Dokumentenmanagement" etc. Hinter dieser Projektagenda bleibt aber das eigentliche Ziel, die Prozesse zu verbessern, verborgen.
7.4.1 IT-Projekte verändern Prozesse
Für jedes IT-Projekt ist also zu bestimmen, welche operativen Prozesse von dem Projekt berührt werden. Dann müssen wir erst diese Prozesse kritisch anschauen, die Prozesskunden und die Prozessbeteiligten zu Rate ziehen. Welche Kundenerwartungen werden nicht erfüllt? Welche Verschwendung steckt im Prozess? Welche Verbesserungen sind in diesem Prozess möglich? Diese Verbesserungen können wir wirtschaftlich bewerten und priorisieren. Erst diese Bewertung ermöglicht es, den Nutzwert eines IT-Projektes zu benennen.
Die Verantwortung von IT-Projekten muss demnach auch über die Realisierung (Entwicklung, Kauf, Einführung) einer IT-Lösung hinausgehen. Erst, wenn die Prozesse dank der Lösung wirklich optimiert sind, kann ein IT-Projekt Erfolg haben.
Für die Digitalisierung in HR-Prozessen kommen verschiedene Anwendungstypen oder Kombinationen davon in Frage:
- Dokumenten-Management-Systeme
- Vorgangssteuerungssysteme
- Datenbanksysteme
- Automatisierung von Massentransaktionen
- Automatisierung von Prozessen
7.4.2 Dokumentenmanagement
Die HR-Arbeit ist stark dokumentenabhängig. Die Personalakte sammelt alle relevanten Vorgänge bezüglich einer beschäftigten Person und ist Nachweis aller Aktivitäten in Bezug auf diese Person. Verträge und Vertragsanpassungen, Personalentwicklung, Versetzung, disziplinarische Maßnahmen, Zeugnisse – alles muss in der Personalakte transparent zugänglich sein.
Die Digitalisierung der HR-Arbeit beginnt also häufig damit, eine "elektronische Personalakte" (EPA) einzuführen. Das hat zur Folge, dass sich alle Personalprozesse ändern müssen und optimiert werden können. Konnte vorher eine Akte nur an einer Stelle zur gleichen Zeit sein, ist mit einer EPA der Zugriff auf Personalakten von überall her möglich. Tätigkeiten müssen also nicht mehr zum jeweiligen Inhaber der Akte geroutet werden, sondern jede fachkundige Person in HR kann Tätigkeiten ausführen. Das ermöglicht erst die Entscheidung über Differenzierung oder Integration von Tätigkeiten.
7.4.3 Vorgangssteuerung
Häufig verbunden mit Dokumenten-Management-Systemen ist die Steuerung der Bearbeitung von Dokumenten. Wenn ein Antrag von einer Person bearbeitet und von einer anderen freigegeben werden muss, kann das Dokument mit einer Vorgangssteuerung zuverlässig diesen Personen zugewiesen werden. Dazu müssen wir die Prozesse modellieren und den Dokumenttypen zuordnen. Tritt ein neues Dokument eines definierten Typs auf, stößt das System den vorgezeichneten Ablauf an und dokumentiert die Ausführung.
7.4.4 Datenbanksysteme
Die Verwaltung der Personaldaten, der Bewerberdaten und der Organisationseinheiten ist häufig über verschiedene Anwendungen verteilt. Die Integration dieser Datenhaltungen in eine gemeinsame Datenbank reduziert die Redundanz und die Übergabe von Daten zwischen den Systemen. Dabei stellt sich auch die Frage, ob eine Integration dieser Personaldatenhaltung in die allgemeine Ressourcenverwaltung des Unternehmens (ERP) hilfreich ist oder nicht. Die meisten ERP-Systeme bieten ein HR-Modul an, häufig wird die Qualität dieser Module aus Sicht von HR aber gering bewertet.
7.4.5 Automatisierung von Massentransaktionen
Die automatische Verarbeitung von Personalzahlungsläufen ist in allen Unternehmen heute Standard. Die Herausforderung besteht häufig darin, unternehmensspezifische Anforderungen wie Zeitmodelle oder Bonuszahlungen in diesen Automatismen zu berücksichtigen. Anwendungen zur Automatisierung von HR Massentransaktionen sind häufig auf Standardanwendungen beschränkt.
7.4.6 Automatisierung des Prozesses
Die Automatisierung von Prozessen zielt darauf ab, Wissensarbeit von Ausführungsarbeit zu differenzieren und Ausführungsarbeit zu automatisieren. Es ist also zu entscheiden, welche Entscheidungen in einem HR-Prozess von einer Person zu treffen ist und welche Fragestellung auch ein Automat anhand festgelegter Regeln beantworten kann.
Um einen solchen digitalen Prozess zu erreichen, ist das tiefgreifende Verständnis des Prozesses notwendig: die Kundenerwartungen, das Kundenerleben, die regulatorischen Begrenzungen, die zu treffenden Entscheidungen, die dafür erforderlichen Informationen.
Im Rahmen einer prozessgesteuerten Digitalisierung können wir den Ablauf und die In...