Dipl.-Psych. Julia Scharnhorst
Wenn die Tätigkeiten und Arbeitsbereiche, die gemeinsam untersucht werden sollen, festgelegt sind, beginnt die eigentliche Untersuchung der Arbeitsbedingungen auf psychische Belastungsfaktoren hin.
Privatleben spielt keine Rolle
Die Zuständigkeit der Arbeitgeber erstreckt sich nur auf arbeitsbezogene Belastungsfaktoren. Belastungen aus dem Privatleben der Beschäftigten gehören nicht in die Gefährdungsbeurteilung.
Falls Unsicherheit besteht, was denn laut Gesetz untersucht werden muss, können Ihnen einige Grundsätze helfen:
- Untersuchen Sie das, was gesetzlich gefordert ist. Die zu untersuchenden Merkmalsbereiche sind festgelegt (s. u.).
- Nützen Sie die Methoden, die auch zu Ihrem Betrieb passen. Es gibt viele unterschiedliche Instrumente, die aber teilweise nur für bestimmte Branchen oder Unternehmensgrößen geeignet sind.
- Erheben Sie nur Belastungsfaktoren, aus denen sich Maßnahmen ableiten lassen.
Sinnvoll ist ein Vorgehen in 4 Schritten:
- Bestandsaufnahme: Bevor weitere Erhebungen durchgeführt werden, sollten bereits vorliegende Daten und Informationen ausgewertet werden. Dazu gehören z. B. bereits früher durchgeführte Mitarbeiterbefragungen, Informationen über Fehlzeiten oder Gesundheitsbeschwerden, Fluktuation in bestimmten Bereichen u. Ä. Falls Sie z. B. aus einer früheren Mitarbeiterbefragung schon über aktuelle Informationen über psychische Belastungsfaktoren verfügen, müssen Sie keine weitere Befragung mehr durchführen.
- Auswahl der Methoden: Es gibt unterschiedliche Methoden, mit denen sich psychische Belastungsfaktoren erheben lassen. Häufig werden in der Praxis verschiedene Methoden miteinander kombiniert, bzw. in einer schrittweisen Abfolge eingesetzt (s. Abschn. 5).
- Auswahl von konkreten Instrumenten: Für die verschiedenen Methoden der Erhebung von Informationen über psychische Belastung am Arbeitsplatz gibt es ganz unterschiedliche Instrumente. Vor der tatsächlichen Erhebung müssen sich die Beteiligten auf die einzusetzenden Instrumente einigen, die für die Rahmenbedingungen im Betrieb am besten geeignet sind.
- Durchführung einer Erhebung: Im vierten Schritt werden nun die ausgewählten Instrumente zur Datenerhebung gemeinsam oder in stufenweiser Abfolge für die festgelegten Tätigkeiten und Bereiche eingesetzt. Für eine möglichst hohe Beteiligung der Mitarbeiterschaft sollte vorab der Datenschutz geklärt sein, da ansonsten Vorbehalte gegenüber einer Teilnahme bestehen können.
Die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA) hat eine Liste mit wesentlichen psychischen Belastungsfaktoren erstellt, auf die in der Gefährdungsbeurteilung der psychischen Belastung geachtet werden soll (Tab. 1). Es werden einerseits die Merkmalsbereiche angegeben, z. B. die Arbeitsaufgabe, andererseits werden auch Hinweise darauf gegeben, wie ungünstige Arbeitsbedingungen aussehen könnten.
1. Merkmalsbereich: Arbeitsinhalt/Arbeitsaufgabe |
Mögliche kritische Ausprägung |
1.1 Vollständigkeit der Aufgabe |
Tätigkeit enthält:
- nur vorbereitende oder
- nur ausführende oder
- nur kontrollierende Handlungen
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1.2 Handlungsspielraum |
Die Beschäftigten haben zu wenig Einfluss auf:
- Arbeitsinhalt
- Arbeitsmittel
- Arbeitspensum
- Arbeitstempo
- Arbeitsabläufe
- Arbeitsmethoden/-verfahren
- Reihenfolge der Tätigkeiten
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1.3 Variabilität (Abwechslungsreichtum) |
- abwechslungsarme Tätigkeiten, wenige, ähnliche Arbeitsgegenstände und Arbeitsmittel
- einseitige Anforderungen, häufige Wiederholung gleichartiger Handlungen in kurzen Takten
- Multitasking, mehrere Tätigkeiten gleichzeitig
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1.4 Information/Informationsangebot |
- zu umfangreich (Reizüberflutung)
- zu gering (lange Zeiten ohne neue Information)
- ungünstig dargeboten
- lückenhaft (wichtige Informationen fehlen)
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1.5 Verantwortung |
Unklare Kompetenzen und Verantwortlichkeiten |
1.6 Qualifikation |
- Tätigkeiten entsprechen nicht der Qualifikation der Beschäftigten (Über-/Unterforderung)
- unzureichende Einweisung/Einarbeitung in die Tätigkeit
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1.7 Emotionale Inanspruchnahme |
- durch das Erleben emotional stark berührender Ereignisse (z. B. Umgang mit schwerer Krankheit, Unfällen, Tod)
- durch das ständige Eingehen auf die Bedürfnisse anderer Menschen (z. B. auf Kunden, Patienten, Schüler)
- durch permanentes Zeigen geforderter Emotionen, unabhängig von eigenen Empfindungen
- häufige und schwere Diskussionen und Konflikte mit anderen Personen, z. B. Kundinnen oder Patienten
Gewalt, Aggression und Bedrohung (z. B. Kunden, Patientinnen) Traumatische Ereignisse bei der Arbeit, z. B. Unfälle, Gewalt
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2. Merkmalsbereich: Arbeitsorganisation |
Mögliche kritische Ausprägung |
2.1 Arbeitszeit |
- wechselnde oder lange Arbeitszeit
- ungünstig gestaltete Schichtarbeit, häufige Nachtarbeit
- umfangreiche Überstunden
- unzureichendes Pausenregime
- Nachtarbeit
- Arbeit an Sonn- und Feiertagen
- Verkürzung der Ruhezeiten
- erweiterte Erreichbarkeit, z. B. durch mobiles Arbeiten oder Homeoffice
- mangelnde Planbarkeit der Arbeitszeit, Arbeit auf Abruf
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2.2 Arbeitsablauf |
- Zeitdruck/hohe Arbeitsintensität
- häufige Störungen/Unterbrechungen
- widersprüchliche Arbeitsanforderungen
- hoh...
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