Dipl.-Psych. Julia Scharnhorst
Mobbing stellt für Betroffene einen besonders intensiven Stressfaktor dar. Die Auswirkungen von Mobbing innerhalb eines Unternehmens erzeugen oft ein Gefühl von Unsicherheit und Angst. Dies beeinträchtigt das allgemeine Wohlbefinden und die Arbeitsleistung der gesamten Belegschaft. Dies geschieht auch dann, wenn die Beschäftigten nicht direkt betroffen sind, sondern lediglich über Gerüchte von solchen Vorfällen im Betrieb hören.
9.2.1 Mobbing – was bedeutet das?
Unter Mobbing sind nicht die üblichen Konflikte und Reibereien zu verstehen, die zwar ärgerlich und belastend sein können, aber einfach zum Leben dazugehören. Mobbing ist etwas ganz anderes, hier wird Psychoterror ausgeübt, der extreme Formen von Stress zur Folge hat. "Unter Mobbing versteht man also eine feindselige, zielgerichtete Interaktion und Konflikte am Arbeitsplatz, die sich systematisch und dauerhaft gegen eine Person richten."
Es gibt nur sehr wenige wissenschaftliche Übersichtsstudien zum Thema Mobbing. Die ausführlichste Untersuchung ist der "Mobbing-Report", der allerdings aus dem Jahr 2002 stammt. Im "Mobbing-Report" wird folgende Definition von Mobbing gegeben: "Unter Mobbing ist zu verstehen, dass jemand am Arbeitsplatz häufig über einen längeren Zeitraum schikaniert, drangsaliert oder benachteiligt und ausgegrenzt wird." Mobbing kann von Vorgesetzten, Gleichgestellten oder Untergebenen ausgeübt werden. Manchmal handelt nur eine Einzelperson, manchmal betreibt eine ganze Gruppe Mobbing. Die beim Mobbing auftretenden Handlungen lassen sich 5 verschiedenen Bereichen zuordnen:
- Angriffe auf die Möglichkeit, sich mitzuteilen (Verweigerung von Kontakten, nicht gefragt oder angehört werden),
- Angriffe auf soziale Beziehungen (ignoriert werden, geschnitten werden),
- Angriffe auf das soziale Ansehen (Gerüchte verbreiten, lächerlich machen),
- Angriffe auf die Qualität der Berufs- und Lebenssituation (Zuweisung sinnloser oder überfordernder Aufgaben),
- Angriffe auf die seelische oder körperliche Gesundheit (zu gesundheitsschädigenden Aufgaben zwingen, körperliche oder sexuelle Übergriffe).
Abb. 4: Mobbing-Handlungen nach Häufigkeit des Auftretens
Frauen sind etwas häufiger Opfer von Schikanen als Männer. Bei Beamten und bei Personen, die eine Tätigkeit auf sehr hohem Niveau ausüben, kommt Mobbing seltener vor. In 38,2 % der Fälle wird das Mobbing ausschließlich vom Vorgesetzten betrieben. Dazu kommen weitere 12,8 % der Fälle, in denen der Vorgesetzte gemeinsam mit anderen Mitarbeitern mobbt. Damit sind Vorgesetzte zu 51 % an Mobbing-Handlungen aktiv beteiligt! Männer (in 59,3 % der Fälle) treten dabei weitaus häufiger als Mobber in Erscheinung als Frauen. Besonders Männer werden von anderen Männern gemobbt. Es gibt keine eindeutigen Erkenntnisse dazu, ob bestimmte Branchen besonders von Mobbing betroffen sind.
Der "Mobbing-Report" liefert ebenfalls Daten zu Häufigkeit und Dauer von Mobbing-Handlungen. Fast jedes vierte Mobbing-Opfer wird täglich schikaniert, fast jeder Dritte mehrmals pro Woche. Die meisten Betroffenen sind dem Psychoterror also sehr häufig ausgesetzt. Für ungefähr ein Drittel dauert der Mobbing-Prozess weniger als 6 Monate. Bei knapp einem Viertel wird das Mobbing aber über 1 bis 2 Jahre fortgesetzt. Die typische Mobbingdauer ist kürzer als 1 Jahr.
Eine europäische Untersuchung aus dem Jahr 2021 ergab ebenfalls Zahlen dazu, wie häufig Mitarbeitende am Arbeitsplatz belästigt oder gar bedroht werden. In dieser Befragung gaben 7 % der Befragten an, dass sie in den letzten 12 Monaten Mobbing, Schikane oder Gewalt ausgesetzt waren. Die Altersgruppe der 35- 44-Jährigen war am stärksten betroffen.
9.2.2 Ursachen
Die Ursachen von Mobbing lassen sich auf verschiedenen Ebenen finden: der Organisation, des Teams und der beteiligten Personen.
Ursachen in der Organisation können sein:
- unklare Verteilung der Aufgaben,
- fehlende Arbeitsplatzbeschreibungen,
- unvorbereitete Rationalisierungsmaßnahmen,
- wirtschaftliche Schwierigkeiten des Unternehmens,
- Personalabbau.
Wenn die Situation am Arbeitsplatz gekennzeichnet ist von Unter- oder Überforderung, stark schwankenden Arbeitsbelastungen, geringen Handlungsspielräumen, belastenden Arbeitszeiten und einem schlechten Teamklima kann ebenfalls Mobbing entstehen. Auf der persönlichen Ebene finden sich häufig Führungsmängel, wie z. B. mangelnde Führungsqualitäten, Mangel an Zivilcourage, fehlende Fach- oder Sozialkompetenz oder Akzeptanz von Gewalt. Letztendlich handelt es sich also beim Mobbing um ein multikausales Geschehen, dem ein ganzes Bündel an Ursachen zugrunde liegen kann.
Ich wurde gemobbt, weil bzw. wegen ... |
% |
... ich unerwünschte Kritik geäußert habe |
60,1 |
... ich als Konkurrenz empfunden wurde |
58,9 |
... der/die Mobber neidisch auf mich war/en |
39,7 |
... es Spannungen zwischen mir und meinem Vorgesetzten gab |
39,4 |
... meiner starken Leistungsfähigkeit |
37,3 |
... ein Sündenbock gesucht wurde |
29,1 |
... meines Arbeitsstils |
28,5 |