Dipl.-Psych. Julia Scharnhorst
Die Arbeitsbedingungen sind natürlich in jeder Firma unterschiedlich, dennoch gibt es typische Belastungsfaktoren, die besonders häufig in bestimmten Branchen auftreten. Abb. 1 gibt einen Überblick, aus dem sich entnehmen lässt, auf welche Belastungsfaktoren besonders geachtet werden sollte.
Legende:
x = Die Häufigkeit für dieses Merkmal liegt über dem Durchschnitt
xx = Die Häufigkeit für dieses Merkmal nimmt bei diesem Wirtschaftszweig einen Spitzenplatz ein
Abb. 1: Besondere psychische Belastungen nach Wirtschaftszweigen
Als Ressourcen gelten die eigene Planung und Einteilung der Arbeit, die gute Zusammenarbeit mit Kollegen sowie die Unterstützung vom direkten Vorgesetzten. Finden sich hier zwei Kreuze, bedeutet dies, dass diese Ressource besonders schwach ausgeprägt ist.
Im "Stressreport Deutschland 2019" der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wird ausführlich dargestellt, welche Belastungsfaktoren in einzelnen Branchen über dem Durchschnitt liegen bzw. Spitzenwerte aufweisen.
Einige Branchen fallen durch hohe Werte in vielen verschiedenen Kategorien von Belastungen auf (6–10 Faktoren von insgesamt 36 möglichen):
- Verkehr und Lagerei,
- Gastgewerbe,
- Erziehung und Unterricht,
- Gesundheit und Sozialwesen.
Andere Branchen erreichen zwar keine Spitzenwerte bei der Belastung, liegen dafür aber in vielen Bereichen über dem Durchschnitt, z. B. verarbeitendes Gewerbe, Handel, Gastgewerbe und öffentlicher Dienst. Traurige Spitzenreiter sowohl bei der Häufigkeit von überdurchschnittlichen Belastungen, als auch von Spitzenwerten sind die Wirtschaftszweige Verkehr und Lagerei sowie Gesundheit und Soziales.
Die Belastungsschwerpunkte, die in den verschiedenen Branchen am häufigsten auftraten, waren:
- verschiedenartige Arbeiten gleichzeitig betreuen,
- starker Termin- oder Leistungsdruck,
- Unterbrechungen und Störungen bei der Arbeit,
- Konfrontation mit neuen Aufgaben,
- Rufbereitschaft, Bereitschaftsdienste;
- Umstrukturierungen in den letzten 2 Jahren,
- mangelnde eigene Einteilung der Arbeit,
- mangelnder Einfluss auf die Arbeitsmenge,
- Stresszunahme in den letzten 2 Jahren,
- häufig erschwertes Abschalten von der Arbeit.
Auch der "DGB-Index Gute Arbeit" erhebt regelmäßig Daten zur Arbeitsqualität und der erlebten Belastungen aus Sicht der Beschäftigten. Auf der Basis von 42 Fragen wird ein Index ermittelt, der im Maximalfall bei 100 liegen kann. Der Durchschnittswert für das Jahr 2022 lag bei 65 Punkten und damit an der Grenze zwischen dem oberen und unteren Mittelfeld.
Laut der Untersuchung fallen Unterschiede in der Qualität der Arbeit eher geringfügig aus (alle Branchen liegen zwischen 62 und 69 Punkten). Nach den Befragungsergebnissen im DGB-Index Gute Arbeit 2022 (s. Abb. 2) liegen alle Branchen mit geringem Qualitätsabstand im unteren bis oberen Mittelfeld. Im Durchschnitt gibt es in den Branchen demnach weder ganz schlechte, noch wirklich gute Arbeit. Zu den Branchen mit den schlechtesten Durchschnittswerten gehören auch nach dieser Auswertung das Gesundheitswesen und das Gastgewerbe. Am besten schnitten die Branchen öffentliche Verwaltung und Sozialversicherung, Information und Kommunikation sowie Ver- und Entsorgung ab.
Abb. 2: Der DGB-Index Gute Arbeit 2022 nach Branchen
Es lässt sich auch eine Veränderung bei der Arbeitsbelastung durch die Digitalisierung in unterschiedlichen Branchen erkennen. Im DGB-Index Gute Arbeit 2016 wurde dieser Frage nachgegangen (Abb. 3).
Abb. 3: Digitalisierung und Arbeitsbelastung – die Gesamtbilanz nach Branchen
Gerade die neuen Arbeitsbelastungen durch die Digitalisierung sollten von den Unternehmen verschiedener Branchen genau betrachtet werden. Nicht alles, was machbar und scheinbar effizienter ist, wirkt sich positiv auf die Arbeitsqualität und Zufriedenheit der Mitarbeiter aus.
In den einzelnen Branchen sind deutliche Unterschiede hinsichtlich der Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen erkennbar. Eine Auswertung der DAK ergab, dass insbesondere 9 Wirtschaftszweige einen deutlich überdurchschnittlichen Anstieg der Fehlzeiten (2020 im Vergleich zu 2019) zu verzeichnen haben. Deutlich an der Spitze lagen hier Land-, Energie-, Forst- und Abfallwirtschaft, gefolgt von Organisationen und Verbänden sowie dem Gesundheitswesen.
Abb. 4: Branchen mit dem höchsten Anstieg bei Fehltagen wegen psychischer Erkrankungen (2020 gegenüber dem Vorjahr)