DAK Gesundheitsreport 2024: Krankenstand auf Rekordhoch

Der Krankenstand in Deutschland lag 2023 im zweiten Jahr in Folge auf einem Rekordniveau. Weit über die Hälfte der Beschäftigten hatte mindestens eine Krankschreibung. Neben Erkältungen und Muskel-Skelett-Erkrankungen sind insbesondere psychische Erkrankungen Grund für den explodierenden Krankenstand.

Wie der aktuelle DAK-Gesundheitsreport 2024 zeigt, sind die  krankheitsbedingten Ausfälle gegenüber dem Vorjahr um 13 Prozent gestiegen. Insgesamt lag der Krankenstand in den Unternehmen in Deutschland bei 5,5 Prozent. Weit über die Hälfte der Beschäftigten hatte von Januar bis Dezember 2023 mindestens eine Krankschreibung, im Durchschnitt zeigen sich 20 Fehltage pro Kopf.

DAK-Chef Storm: "Betriebliches Gesundheitsmanagement allein reicht nicht"

"Der Krankenstand hat 2023 einen neuen Höchststand erreicht. Auch wenn das Ergebnis nach den Erkältungswellen im Frühjahr und Herbst nicht überraschend kommt, ist es für die Wirtschaft alarmierend", sagt DAK-Vorstandschef Andreas Storm. "Die hohen Fehlzeiten beeinträchtigen die Arbeitsabläufe vieler Betriebe und Behörden – besonders dann, wenn die Personaldecke durch den Fachkräftemangel immer dünner wird." Die aktuellen Kurzzeit-Fälle wegen Bronchitis und Co. seien dabei gar nicht mal das größte Problem, sondern die Langzeit-Fälle. "Betriebe haben in den zurückliegenden Jahren immer mehr im Bereich des betrieblichen Gesundheitsmanagements getan, aber unsere Zahlen zeigen, dass das nicht ausreicht. Wir brauchen in Deutschland eine Offensive für das betriebliche Gesundheitsmanagement."

Psychische Erkrankungen sorgen für 7,4 Prozent mehr Fehltage

Die meisten Fehltage waren 2023 auf Erkältungskrankheiten zurückzuführen, gefolgt von Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und psychischen Diagnosen. Mit einer Erkältungsdiagnose wurde etwa jeder fünfte Fehltag begründet (20,6 Prozent). Husten, Schnupfen und Bronchitis verursachten 415 Fehltage pro 100 Versicherte.

Einen merklichen Anstieg verzeichneten psychische Erkrankungen. In dieser Erkrankungsgruppe – zu der auch Depressionen und Angststörungen gehören – gingen die Fehlzeiten um 7,4 Prozent hoch, von 301 auf 323 Fehltage je 100 Beschäftigte. Nach Einschätzung von Professor Volker Nürnberg, Experte für betriebliches Gesundheitsmanagement, können unter anderem veränderte Rahmenbedingungen in der Arbeitswelt Gründe für diesen Anstieg sein. Muskel- und Skelett-Erkrankungen haben ebenfalls etwas zugelegt (plus fünf Prozent) und insgesamt 373 Tage je 100 Versicherte verursacht. 

Drei Führungsaufgaben gegen psychische Belastungen

"Mit den gestiegenen psychischen Erkrankungen gehen auch deutlich mehr  Langzeiterkrankungen einher", erklärt Nürnberg. Er fordert von den Unternehmen, ihre Bemühungen in der Prävention deutlich zu verstärken. "Viele der psychischen Erkrankungen sind auf eine Wechselwirkung aus privaten und beruflichen Faktoren zurückzuführen", erklärt der Gesundheitsexperte. Unternehmen müssten der veränderten, disruptiven Arbeitswelt Rechnung tragen.

Konkret nennt Nürnberg drei Aufgaben, mit denen Führungskräfte für mehr psychische Gesundheit sorgen könnten:

  1. New Work müsse proaktiv gestaltet werden,
  2. alle Mitarbeitenden müssten bei der Digitalisierung abgeholt und
  3. eine identitätsbildende Unternehmenskultur geschaffen werden.

Personalengpass macht schlaflos und krank

Schon der DAK-Gesundheitsreport 2023 wies darauf hin, dass die Fehlzeiten in den Unternehmen in Deutschland weiter zunehmen werden. Damals wurde ein besonderes Krankheitsrisiko für Beschäftigte in der Pflege und Kinderbetreuung wegen des in diesen Branchen bestehenden Personalmangels aufgedeckt. Arbeiten, obwohl das Personal nicht ausreicht, zeigte sich der Studie 2023 zufolge als Arbeit am Limit: Mehr als die Hälfte der Beschäftigten in Betrieben mit Personalnot und Fachkräftemangel zeigte sich damals häufig oder sehr häufig müde und erschöpft. Rund ein Drittel berichtete von nächtlichen Schlafstörungen oder Beschwerden des Muskel-Skelett-Systems wie beispielsweise Rückenschmerzen und beinahe jeder vierte Beschäftigte litt unter Kopfschmerz.

Die Betroffenen berichteten von starkem Termin- und Leistungsdruck, von Überstunden und versäumten Pausen. Wer regelmäßig Personalmangel erlebt, kann in der Freizeit oft nicht abschalten, verzichtet auf Sport und findet wenig Zeit für Hobbys, Familie und Freunde. Stress und Druck einerseits sowie fehlende Erholung und Ausgleich andererseits beeinflussen die Gesundheit negativ. 

Krankheitsrisiko von Pflegekräften steigt durch Personalnot

Besonders betroffen zeigen sich hier nach wie vor die Kranken- und Altenpflegekräfte. In der Altenpflege und in der Kinderbetreuung, etwa in Kitas, liegen die Krankenstände mit 7,4 beziehungsweise 7 Prozent weit über dem Durchschnitt. Gründe für den Personalmangel sind sowohl ungewöhnlich viele, unerwartete Personalausfälle als auch allgemein zu wenige Mitarbeitende. Die Erhebung zeigt, dass die Beschäftigten in diesen Berufen als Konsequenz auf die personelle Unterbesetzung überdurchschnittlich häufig ihre Arbeitszeit reduzieren.

Präsentismus in Branchen mit Personalmangel besonders hoch

Je extremer die erlebte Personalnot, desto stärker neigen die Beschäftigten zu Präsentismus. Als regelrechten Teufelskreis bezeichnet Volker Nürnberg diesen Mechanismus: "Hohe Fehlzeiten und Personalmangel bedingen einander und verstärken sich jeweils in den Effekten." Personalmangel führe aufgrund von Stress und Belastungen zu einem höheren Krankenstand, der wiederum den Personalmangel erhöhe, weil krankgeschriebene Mitarbeitende ersetzt werden müssen.

"Besonders der Anstieg an psychischen Erkrankungen konnte in diesem Zusammenhang nachgewiesen werden," erklärt der BGM-Experte. Für die Unternehmen ergäben sich dadurch neue Managementaufgaben: Wichtig sei, die Verhältnisse beispielsweise im Gesundheitswesen – und besonders dort – proaktiv zu verändern. Dies beginne bei Schichtplänen, gehe über Personaleinsatzplanung bis hin zu den Softskills gesunder Führung, Kultur und Kommunikation.


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