Jan Peters, Prof. Dr. Anja Mengel
Wird im Rahmen der Mitarbeiterüberwachung festgestellt, dass ein Mitarbeiter seinen Arbeitgeber durch strafbare Handlungen geschädigt hat, stellt sich die Frage nach der Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens durch Erstattung einer Strafanzeige bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft. Dabei sind auch die Auswirkungen des Strafverfahrens auf die Entscheidung des Zivil- oder Arbeitsgerichts für den Fall eines Schadensersatz- oder Kündigungsschutzprozesses zu berücksichtigen.
Die Zivil- und Arbeitsgerichte sind an das Ergebnis eines Strafverfahrens, d. h. die strafrechtliche Bewertung eines Sachverhalts, nicht gebunden. Ein rechtskräftiges Strafurteil ist daher noch keine Garantie für ein Obsiegen des Arbeitgebers im nachfolgenden Zivil- oder Arbeitsgerichtsprozess. Bestreitet ein rechtskräftig verurteilter Straftäter im Kündigungsschutzprozess die ihm vorgeworfene Straftat, so muss das Arbeitsgericht den Sachverhalt ohne Bindung an das Strafurteil selbst aufklären und bewerten; dabei kann es die Erkenntnisse aus dem Strafverfahren (Ermittlungsergebnisse, Zeugenaussagen) als Beweismittel beiziehen und verwerten.
Auf der anderen Seite ist der Arbeitgeber selbst im Fall der Einstellung des Strafverfahrens mangels hinreichenden Tatverdachts oder eines Freispruchs wegen unzureichender Beweise nicht am Ausspruch einer Kündigung (Tat- und/oder Verdachtskündigung) gehindert. Dies gilt entsprechend, wenn das Strafverfahren wegen Geringfügigkeit nach §§ 153, 153a StPO gegen Zahlung eines Geldbetrags oder anderer Auflagen eingestellt wird. In der Praxis agieren die Arbeitsgerichte aber meistens schneller als die Strafbehörden und -gerichte, sodass das Kündigungsschutzverfahren regelmäßig ohne (Zwischen-)Entscheidung im Strafverfahren zu Ende geht.
Dennoch ist ein in der Praxis häufig angewandtes Druckmittel die Drohung des Arbeitgebers mit der Einschaltung der Polizei bzw. der Erstattung einer Strafanzeige für den Fall, dass der Arbeitnehmer sein Fehlverhalten nicht einräumt bzw. kein Schuldanerkenntnis abgibt oder einen Aufhebungsvertrag nicht unterzeichnet. Nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung handelt der Arbeitgeber bei dieser Vorgehensweise jedenfalls dann in der Regel nicht widerrechtlich, wenn gegen den Arbeitnehmer zumindest der hinreichende Verdacht besteht, eine strafbare Handlung zum Nachteil des Arbeitgebers begangen zu haben. Außerdem kommt es auf die Zweck-Mittel-Relation an: Die Drohung mit der Strafanzeige ist dann generell zulässig, wenn sie im Zusammenhang mit dem steht, was durch das Schuldanerkenntnis geregelt werden soll. Sie ist unzulässig, wenn eine zufällig bekannt gewordene anderweitige Straftat dazu benutzt wird, um den Arbeitnehmer zu dem Schuldanerkenntnis zu bewegen.
Unter taktischen Aspekten kann sich auch die Erstattung einer Strafanzeige und ggf. sogar ein Abwarten mit der Kündigung bei Beweisnot des Arbeitgebers empfehlen, weil die Strafbehörden weitgehende Ermittlungsbefugnisse haben und so ggf. Beweise ermitteln können, die dem Arbeitgeber andernfalls verschlossen blieben. Dies gilt gerade auch im Bereich des Geheimnis- und Know-how-Verrats: § 23 GeschGehG stellt den Verrat von Geschäftsgeheimnissen unter Strafe. Nach dem Legalitätsprinzip des § 152 Abs. 2 StPO muss die Staatsanwaltschaft bei Bestehen eines Anfangsverdachts ein Ermittlungsverfahren einleiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte bestehen. In diesem Rahmen kann sie mit Durchsuchungen und anderen Zwangsmitteln Beweise beim Verdächtigen beschaffen, die auch in einem späteren Arbeitsgerichtsprozess verwertet werden können.