OFD Magdeburg, Verfügung v. 3.4.2000, S 2230 - 91 - St 217 V

Zur Abgrenzung der Land- und Forstwirtschaft vom Gewerbebetrieb bei Saatzuchtbetrieben ist im Rahmen einer Betriebsprüfung folgendes Problem aufgetreten:

Die Steuerpflichtige, ein spezialisierter Saatzuchtbetrieb, betreibt in der Rechtsform einer GbR Züchtung, Vermehrung und Vertrieb von neuen Roggensorten. Im Ergebnis kommt es zur Anerkennung einer neu gezüchteten Sorte als zertifiziertes Saatgut und Eintragung von Urheberschutzrechten für den Saatzuchtbetrieb.

Die Züchtung neuer Sorten sowie die Erhaltungszüchtungen wurden ausschließlich auf eigenen Zuchtanbauflächen sowie durch eigene Mitarbeiter betrieben. Allerdings sind die dabei gewonnenen Mengen so geringfügig, daß eine wirtschaftlich sinnvolle Verwertung nicht möglich ist. Diese ist nur erreichbar, wenn das neue Saatgut in erheblichem Umfang vermehrt wird.

Die Vermehrung wird aus züchterischen Gründen (wegen des erforderlichen Fruchtfolgewechsels und mangels ausreichender Grund- und Bodenfläche) seit Jahren auserwählten landwirtschaftlichen Betrieben (Vermehrern) übertragen.

Während des Wachstums des vom Saatzuchtbetrieb bereitgestellten Basis-Saatgutes auf den Flächen des Vermehrers prüfen behördliche Stellen die Vermehrungsflächen und das aufgewachsene Saatgut. Im Ergebnis wird der feldanerkannte Aufwuchs als zertifiziertes Saatgut des Züchters bestätigt. Die Vermehrer sind zur rastlosen Ablieferung des gewonnenen Saatgutes verpflichtet. Der Züchter kauft das Saatgut zu den zuvor in den Verträgen festgelegten Konditionen auf.

Der Vertrieb des zertifizierten Saatgutes erfolgt erst nach vorheriger endgültiger Aufbereitung durch den Saatzuchtbetrieb an Landwirte, welche daraus Konsumgetreide gewinnen.

Die Steuerpflichtige erklärte ihre Einkünfte als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft.

Im Rahmen der durchgeführten Betriebsprüfung trat erstmals die Frage auf, ob die Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG zu qualifizieren sind, weil die Steuerpflichtige in schädlichem Umfang fremde Erzeugnisse zukauft. Nach Auffassung der Betriebsprüfung gehen die Risiken im Zusammenhang mit der Vermehrung des Saatgutes und damit die Gefahr des zufälligen Untergangs an den erzeugten Sämereien bis zum „Rückkauf” auf den Vermehrer über. Daher soll der „Verkauf” des vom Vermehrer erzeugten Saatgutes eine Veräußerung selbst gewonnener landwirtschaftlicher Produkte an den Saatzuchtbetrieb darstellen mit der Folge, daß bei diesem Zukauf fremder Erzeugnisse im Sinne vonR 135 Abs. 5 EStR vorliegt und die Zukaufsgrenzen bzw. die Höhe des unschädlichen Umsatzanteils überschritten werden.

Handelt es sich aber bezüglich der Fremderzeugnisse um eine gewerbliche Betätigung, ist aufgrund von § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG (sog. Abfärbetheorie) der Betrieb der Steuerpflichtigen insgesamt als Gewerbebetrieb umzuqualifizieren.

Gegen diese Schlußfolgerung bestehen Bedenken.

Die Tätigkeit des Saatzuchtbetriebes ist der sonstigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzung i.S. von § 13 Abs. 1 Nr. 2 EStG i.V.m. § 62 Abs. 1 Nr. 6 BewG zuzurechnen. Abschnitt 7.40 der BewRL führt für diesen Fall u.a. folgendes aus:

„Die Produktion von Nutzpflanzensaatgut, die sich über mehrere Zuchtstufen erstreckt, wird nur in bestimmten Abschnitten unmittelbar von dem Saatzuchtunternehmen selbst bestritten. Zu den unmittelbaren Aufgaben gehören neben der züchterischen Tätigkeit, die einerseits der Erhaltung von Erbwert und Gesundheit vorhandener Sorten, andererseits der Züchtung neuer, verbesserter Sorten dient, unter anderem die Aufbereitung, die Lagerung und der Verkauf des zertifizierten Saatgutes. Für die Beurteilung der Ertragsfähigkeit der Saatzucht ist von Bedeutung, daß den Einnahmen aus Verkäufen des zertifizierten Saatgutes ihrer Sorten die Aufwendungen für die ständige züchterische Arbeit sowie die Kosten der Rückkäufe, der Aufbereitung und Lagerung des in den Vermehrungsbetrieben erzeugten Saatgutes der verschiedenen Anbaustufen einschließlich des zertifizierten Saatgutes gegenüberzustellen sind. Die Kosten des Rückkaufs sind als Entgelt für die Nutzung der Produktionsmöglichkeiten der Vermehrungsbetriebe, das heißt als Vermehrungsaufwand, anzusehen.”

Um in einem vom Saatzuchtbetrieb gesteuerten und überwachten Verfahren zur Vermehrung des Saatgutes zu gelangen, sind somit Verträge eigener Art vonnöten, die sowohl Elemente des Tausch-, Kauf-, Pacht- und auch wesentliche Elemente des Werkleistungsvertrages enthalten. Derartige Verträge werden nach Abschn. 7.40 Abs. 1 Satz 5 BewRL nicht als schädlich eingestuft: „Die geschlossenen Anbauverträge regeln die Kontrolle des Züchters über die Saatguterzeugung im Vermehrungsbetrieb, ihr Verfügungsrecht über die Erzeugnisse und ihre Verpflichtung, das Erntegut unter Verrechnung des zur Verfügung gestellten Basis-Saatgutes und gegen Zahlung eines bestimmten Preises zurückzunehmen.”

Der Vermehrungsanbau und die anschließende Rücknahme des Saatgutes werden demnach als zum landwirtschaft...

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