Grenzen der Pauschalbesteuerung für Landwirte bei Sport-, Renn- und Turnierpferden
Hintergrund: Gesetzliche Regelung
Gemäß § 12 Abs. 1 UStG beträgt die Steuer für jeden steuerpflichtigen Umsatz grundsätzlich 19% der Bemessungsgrundlage. Abweichend hiervon gelten für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze nach § 24 UStG andere Steuersätze. Als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gelten nach § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe, soweit ihre Tierbestände nach den §§ 51, 51a BewG zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören.
Sachverhalt: Weiterlieferung von eingekauften Pferden, die zu hochwertigen Reitpferden ausgebildet worden sind
Der Kläger betreibt eine Pferdezucht und einen Pferdehandel und erzielt damit einkommensteuerrechtlich Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§ 13 EStG) und aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG).
Er erwarb mehrere junge Reitpferde, versorgte sie, bildete sie weiter aus und verkaufte sie weiter.
Im Rahmen einer Außenprüfung für das Jahr 2013 vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass § 24 UStG nur für die Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und für landwirtschaftliche Dienstleistungen gelte. Der Verkauf zugekaufter Pferde falle nur dann unter die Vorschrift, wenn die zugekauften Produkte durch landwirtschaftliche Tätigkeiten zu einem Produkt anderer Marktgängigkeit weiterverarbeitet würden. Die zugekauften Pferde seien jedoch auch nach der Ausbildung durch den Kläger Reitpferde geblieben. Lediglich ihr Marktwert habe sich erhöht.
Der Einspruch des Klägers, mit dem er vorbrachte, es komme allein darauf an, dass eine ausreichende Futtergrundlage für die gehaltenen Tiere vorhanden bzw. die Vieheinheitengrenze gemäß § 51 BewG nicht überschritten sei, blieb erfolglos.
Die Klage beim Finanzgericht (FG) hatte ebenfalls keinen Erfolg.
Entscheidung: Die Lieferungen des Klägers fallen nicht unter § 24 UStG
Der BFH bestätigt die Rechtsauffassung des FG. Nach der im Streitjahr 2013 geltenden Fassung des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG wird für die „im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze“ die Steuer auf 10,7% der Bemessungsgrundlage festgesetzt. Die Vorsteuerbeträge betragen i.d.R. ebenfalls 10,7% dieser Umsätze und ein weiterer Vorsteuerabzug entfällt (§ 24 Abs. 1 Satz 3 und 4 UStG). Durch diese Regelungen gleichen sich damit die Umsatzsteuer und die Vorsteuer aus, sodass der Landwirt im Ergebnis für diese Umsätze keine Umsatzsteuer zu entrichten hat. Nach dem Wortlaut des § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG gelten als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe, soweit ihre Tierbestände nach den §§ 51 und 51a BewG zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören. Die Vorschrift beruht unionsrechtlich auf Art. 295 ff. MwStSystRL.
Wie sich aus Art. 296 Abs. 1 MwStSystRL ergibt, steht es Mitgliedstaaten frei, auf landwirtschaftliche Erzeuger, bei denen die Anwendung der normalen Mehrwertsteuer auf Schwierigkeiten stoßen würde, als Ausgleich für die Belastung durch die Mehrwertsteuer, die auf die von den Pauschallandwirten bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen gezahlt wird, eine Pauschalregelung anzuwenden.
Nach Art. 296 Abs. 2 MwStSystRL sind von der Pauschalregelung landwirtschaftliche Erzeuger ausgenommen, bei denen die Anwendung der normalen oder der vereinfachten Regelung keine verwaltungstechnischen Schwierigkeiten bereitet, d.h., die faktisch in der Lage sind, die Verwaltungskosten im Zusammenhang mit den sich aus der Anwendung der normalen oder der vereinfachten Mehrwertsteuerregelung ergebenden Aufgaben zu tragen.
Landwirtschaftliche Erzeugnisse und landwirtschaftliche Dienstleistungen
Die Pauschalausgleich-Prozentsätze werden nach Art. 300 MwStSystRL u.a. auf den Preis ohne Mehrwertsteuer der folgenden Gegenstände und Dienstleistungen angewandt:
- landwirtschaftliche Erzeugnisse, die die Pauschallandwirte an andere Steuerpflichtige als jene geliefert haben, die in dem Mitgliedstaat, in dem diese Erzeugnisse geliefert werden, diese Pauschalregelung in Anspruch nehmen; …
- landwirtschaftliche Dienstleistungen, die die Pauschallandwirte an andere Steuerpflichtige als jene erbracht haben, die in dem Mitgliedstaat, in dem diese Dienstleistungen erbracht werden, diese Pauschalregelung in Anspruch nehmen.
„Landwirtschaftliche Erzeugnisse“ sind nach Art. 295 Abs. 1 Nr. 4 und 5 sowie Abs. 2 MwStSystRL die Gegenstände, die im Rahmen der in Anhang VII MwStSystRL aufgeführten Tätigkeiten von land-, forst- oder fischwirtschaftlichen Betrieben der einzelnen Mitgliedstaaten erzeugt werden.
„Landwirtschaftliche Dienstleistungen“ sind Dienstleistungen, die von einem landwirtschaftlichen Erzeuger mit Hilfe seiner Arbeitskräfte oder der normalen Ausrüstung seines land-, forst- oder fischwirtschaftlichen Betriebs erbracht werden und die normalerweise zur landwirtschaftlichen Erzeugung beitragen, u.z. insbesondere die in Anh. VIII MwSystRL aufgeführten Dienstleistungen.
Den in Anh. VII MwSystRL aufgeführten Tätigkeiten der landwirtschaftlichen Erzeugung gleichgestellt sind die Verarbeitungstätigkeiten, die ein Landwirt bei im Wesentlichen aus seiner landwirtschaftlichen Produktion stammenden Erzeugnissen mit Mitteln ausübt, die normalerweise in land-, forst- oder fischwirtschaftlichen Betrieben verwendet werden.
In Anh. VII MwSystRL sind beispielsweise Tierzucht und Tierhaltung in Verbindung mit der Bodenbewirtschaftung, Viehzucht und -haltung, Geflügelzucht und -haltung, Kaninchenzucht und -haltung, Imkerei, Seidenraupenzucht und Schneckenzucht aufgeführt.
§ 24 UStG ist im Lichte der Art. 295 ff. MwStSystRL richtlinienkonform auszulegen.
Daran gemessen, sind die Lieferungen der Pferde steuerbar und zum Regelsteuersatz steuerpflichtig. Sie fallen nicht unter die Durchschnittssatzbesteuerung.
Haltung von Sport-, Turnier- oder Freizeitpferden
Soweit Sport-, Turnier- oder Freizeitpferde im Rahmen der Erbringung sonstiger Leistungen an die Pferdehalter von Landwirten gehalten werden, kommt die Durchschnittssatzbesteuerung des § 24 UStG nicht zur Anwendung, weil Sport- und Freizeitpferde kein "Vieh" sind.
Die Pferde sind auch keine andere in Anh. VII Nr. 2 MwStSystRL genannte Tierart, auf die die Durchschnittssatzbesteuerung angewendet werden darf. Sie sind schon aus diesem Grund keine landwirtschaftlichen Erzeugnisse i.S.d. Art. 295 Abs. 1 Nr. 4 MwStSystRL, sodass ihre Lieferung nicht unter Art. 300 Nr. 1 MwStSystRL fällt.
Die Anwendung des Art. 295 Abs. 2 MwStSystRL scheidet außerdem deshalb aus, weil der Kläger die reiterliche Ausbildung der Pferde nicht mit Mitteln ausübt, die normalerweise in land-, forst- oder fischwirtschaftlichen Betrieben verwendet werden.
Die ertragsteuerrechtliche und bewertungsrechtliche Beurteilung ist wegen des Gebots der unionsrechtskonformen Auslegung für § 24 UStG nicht maßgeblich. Das gilt auch für die Frage der Zurechnung einer Tierzucht oder Tierhaltung zur Landwirtschaft.
BFH, Urteil v. 13.9.2023, XI R 37/22; veröffentlicht am 21.12.2023
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