Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht. Vorstandsmitglied einer Wohnungsbaugenossenschaft. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung. § 1 S 3 SGB 6 und § 27 Abs 1 Nr 5 SGB 3 nicht anwendbar

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der (kaufmännische) Vorstand einer Wohnungsgenossenschaft ist Beschäftigter iS des § 7 Abs 1 S 1 SGB 4.

2. § 1 S 3 SGB 6 und § 27 Abs 1 Nr 5 SGB 3 sind auf Vorstandsmitglieder einer Genossenschaft nicht entsprechend anwendbar.

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 17. Dezember 2009 und der Bescheid der Beklagten vom 13. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2006 aufgehoben.

II. Es wird festgestellt, dass der Beigeladene zu 1 in seiner Beschäftigung bei der Klägerin in der Zeit vom 1. Juli 2005 bis 31. März 2007 und ab dem 1. Januar 2008 nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig war.

III. Es wird festgestellt, dass der Beigeladene zu 1 in seiner Beschäftigung bei der Klägerin seit 1. Juli 2005 in der gesetzlichen Renten- und sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig ist und in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 1. April 2007 bis 31. Dezember 2007 versicherungspflichtig war. Insoweit wird die Berufung zurückgewiesen.

IV. Die Klägerin und die Beklagte tragen jeweils die Hälfte der Kosten des Verfahrens. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

VI. Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beigeladene zu 1 in seiner Tätigkeit bei der Klägerin und Berufungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, sozialen Pflege- und gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Der am ... November 1971 geborene Beigeladene zu 1 ist ausweislich eines zwischen ihm und der Klägerin geschlossenen "Anstellungsvertrages" vom 31. Mai 2005 seit 1. Juli 2005 Vorstandsmitglied der Klägerin. In der Präambel des Vertrages wird ausgeführt, letzterer werde "auf der Grundlage des Aufsichtsratsbeschlusses vom 30. März 2005 zur Bestellung als Vorstand" geschlossen. Gemäß § 1 Abs. 1 des Vertrages wurde der Beigeladene zu 1 für die Dauer von fünf Jahren als Mitglied des Vorstandes angestellt. Er werde durch den Aufsichtsrat bestellt und fungiere als kaufmännischer Vorstand. Das Dienstverhältnis beginne am 1. Juli 2005 und ende am 30. Juni 2010, es könne verlängert werden. § 4 Abs. 1 des Vertrages bestimmt, dass der Beigeladene zu 1 seine volle Arbeitskraft der Genossenschaft zu widmen habe, § 4 Abs. 2, dass die Ausübung von Nebentätigkeiten einer schriftlichen Genehmigung des Aufsichtsrates bedürfe bzw. dem Aufsichtsrat anzuzeigen sei. Gemäß § 5 des Vertrages erhielt der Beigeladene zu 1 eine monatliche Grundvergütung i.H.v. 3.880,00 EUR zuzüglich jährlich durch den Aufsichtsrat festzulegender Sonderzahlungen am Ende jeden Halbjahres in Höhe des Grundbetrages; ein Anspruch auf Vergütung von Überstunden und Mehrarbeit wurde ausgeschlossen. Für den Fall der Dienstunfähigkeit infolge Krankheit oder Unfall bestand ein Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge längstens bis zum Ablauf des dritten bzw. 18. Monats. Ferner regelte § 5 einen Anspruch auf einen jährlichen Erholungsurlaub von 32 Arbeitstagen. Auf die sonstigen vertraglichen Bestimmungen wird Bezug genommen (vgl. Bl. 4 - 7 der Akte der Beklagten und Berufungsbeklagten, im Folgenden: Beklagte).

Am 1. Juli 2005 stellte der Beigeladene zu 1 bei der Beklagten einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status. Er sei kaufmännischer Vorstand, seine Tätigkeit sei gekennzeichnet durch freies unternehmerisches Handeln ohne Weisungsabhängigkeit, freie Arbeitszeitgestaltung und unternehmerische Haftung. Er arbeite am Betriebssitz seines Auftraggebers, habe keine regelmäßigen Arbeits- oder Anwesenheitszeiten einzuhalten, arbeite weisungsfrei. Sein unternehmerisches Handeln bestehe in der eigenen Kalkulation von Mieten/Preisen, Auftragserteilung, Angebotseinholung z.B. für Werbung in Printmedien, Eigen- und Fremdkapitalbeschaffung.

Auf eine Anfrage der Beklagten übersandte die Klägerin dieser mit Schreiben vom 25. Oktober 2005 die Geschäftsordnung für den Vorstand der Klägerin vom 4. Oktober 2005. Hiernach besteht der Vorstand der Klägerin aus zwei nicht weisungsgebundenen Mitgliedern, die in eigenverantwortlicher Bestimmung von Arbeitszeit und -ort als kaufmännischer bzw. technischer Vorstand ihre Aufgaben wahrnehmen. Entscheidungen erfordern außer bei Gefahr im Verzuge die Mitwirkung beider Vorstandsmitglieder und eine vorangegangene Beratung.

Mit Anhörungsschreiben vom 30. Januar 2006 an den Beigeladenen zu 1 sowie die Klägerin wies die Beklagte darauf hin, dass beabsichtigt sei, die vom Beigeladenen zu 1 ausgeübte Tätigkeit als Vorstandsmitglied bei der Klägerin seit dem 1. Juli 2005 als abhängiges und da...

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