Rz. 16
§ 2 Abs. 3 bestimmt, dass Arbeitgeber die Agenturen für Arbeit frühzeitig über betriebliche Veränderungen, die Auswirkungen auf die Beschäftigung haben können, zu unterrichten haben. Dazu gehören auch Mitteilungen über geplante Betriebseinschränkungen oder Betriebsverlagerungen, damit Entlassungen von Arbeitnehmern vermieden oder Übergänge in andere Beschäftigungsverhältnisse organisiert werden können. Diese Informations- und Mitteilungspflichten sind allerdings nur als Sollvorschrift ausgestaltet und insofern nicht von zwingender Natur. Die Verletzung der Mitteilungspflichten ist nicht sanktionsbewehrt.
Rz. 17
§ 17 Abs. 2 und 3 KSchG sieht ein besonderes Verfahren der Unterrichtung der Agenturen für Arbeit vor. Im Vorfeld der Erstattung einer Massenentlassungsanzeige ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Betriebsrat und die Agentur für Arbeit schriftlich zu unterrichten. Diese Unterrichtung muss mindestens folgende Angaben enthalten:
- Gründe der geplanten Entlassungen,
- die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
- die Zahl und die Berufsgruppen der i. d. R. beschäftigten Arbeitnehmer,
- den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
- die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer.
Rz. 18
Abs. 1 Satz 3 definiert den Begriff der Betriebsänderung. Danach gelten als Betriebsänderungen alle Betriebsänderungen i. S. d. § 111 BetrVG unabhängig von der Unternehmensgröße und der Anwendbarkeit des Betriebsverfassungsgesetzes im jeweiligen Betrieb. Betriebsänderungen nach § 111 BetrVG sind:
- Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebes oder von wesentlichen Betriebsteilen,
- Verlegung des ganzen Betriebes oder von wesentlichen Betriebsteilen,
- Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben,
- Grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation oder des Betriebszwecks,
- Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren.
Diese Aufzählung ist nicht abschließend (Klein, in: Gagel, SGB III, § 110 Rz. 16 m. w. N.).
Rz. 19
Eine Betriebsänderung nach § 111 Satz 3 BetrVG liegt auch dann vor, wenn sich die Einschränkung/Stilllegung oder Verlegung nicht auf den ganzen Betrieb, sondern nur auf einen oder mehrere Betriebsteile bezieht. Bei einem wesentlichen Betriebsteil braucht es sich nicht um Betriebsabteilungen i. S. v. § 97 zu handeln. Ausreichend ist, dass der betroffene Betriebsteil einen Teilzweck erfüllt und einen erheblichen Teil der Arbeitnehmer beschäftigt oder er wirtschaftlich gesehen für den Betrieb von wesentlicher Bedeutung ist. Von einem wesentlichen Betriebsteil ist bei quantitativer Betrachtungsweise dann auszugehen, wenn die Zahl der Beschäftigten der Größenordnung des § 17 Abs. 1 KSchG entspricht. Eine Betriebseinschränkung liegt vor, wenn der Betriebszweck zwar weiter verfolgt wird, die Produktionskapazität aber wesentlich vermindert wird.
Rz. 20
Der Anspruch nach § 110 besteht unabhängig von der Betriebsgröße. Somit sind auch Arbeitnehmer in Kleinstbetrieben anspruchsberechtigt (Kühl, in: Brand, SGB III, § 110 Rz. 5; Apidopoulos, in: Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, § 110 Rz. 15). Bei einem Betrieb von weniger als 21 Arbeitnehmern liegt ein wesentlicher Betriebsteil vor, wenn darin wenigstens 6 Arbeitnehmer beschäftigt werden (BAG, Urteil v. 9.11.2010, 1 AZR 708/09; BAG, Urteil v. 7.8.1990, 1 AZR 445/89; wohl a. A. Rolfs, in: ErfK, SGB III, § 10 Rz. 5, wonach in Kleinbetrieben die Kündigung eines einzelnen Arbeitnehmers ausreichen kann, wenn dies Auswirkungen auf die Betriebsorganisation hat).
Rz. 21
Stilllegung eines Betriebes ist die Aufgabe des Betriebszwecks unter gleichzeitiger Auflösung der Betriebsorganisation aufgrund eines ernstlichen und endgültigen Entschlusses des Unternehmers. Die Weiterbeschäftigung weniger Arbeiter mit Abwicklungsarbeiten steht der Annahme einer Stilllegung nicht entgegen.
Rz. 22
Auch ein bloßer Personalabbau kann eine Betriebsänderung i. S. v. § 111 BetrVG sein, auch wenn die sächlichen Betriebsmittel unverändert bleiben (BAG, Urteil v. 31.5.2007, 2 AZR 254/06). Allerdings ist ein reiner Personalabbau nur dann mit Transfermaßnahmen förderungsfähig, wenn ein erheblicher Teil der Belegschaft davon betroffen ist. Anhaltspunkt hierfür sind die Zahlen und Prozentangaben in § 17 Abs. 1 KSchG. Danach gilt für die Frage, ob eine Betriebsänderung vorliegt, folgendes Verhältnis der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer und der Zahl der Arbeitnehmer, die entlassen werden sollen:
- Betriebe mit 21 bis 59 Arbeitnehmern:
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6 Arbeitnehmer, |
- Betriebe mit 60 bis 499 Arbeitnehmern:
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entweder 10 % der Arbeitnehmer oder mehr als 25 Arbeitnehmer |
- Betriebe mit 500 bis 599 Arbeitnehmern:
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30 Arbeitnehmer |
Bei Großbetrieben von über 600 Arbeitnehmern wird eine Betriebseinschränkung durch bloßen Personalabbau erst dann angenommen, wenn vom Personalabbau 5 % der Belegschaft betroffen sind (BAG, Beschluss v. 28.3.2006, 1 ABR 5/05; BAG, Urteil v. 10.12.1996, 1 AZR 290/96). Als Entlassung gilt auch d...