Rz. 3
Die Vorschrift ergänzt die in § 7 Abs. 1 i. V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 8 AEntG bestehende Möglichkeit, für die Branche der Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem SGB II oder SGB III Mindestarbeitsbedingungen durch Rechtsverordnung vorzuschreiben.
Seit dem 1.1.2018 war für Beschäftigte in der nach dem SGB II bzw. dem SGB III geförderten Aus- und Weiterbildung im gesamten Bundesgebiet (erstmals) ein Mindestlohn von 15,26 EUR je Stunde allgemeinverbindlich vorgeschrieben. Dies war der zu diesem Zeitpunkt höchste bundesweit geltende Branchen-Mindestlohn. Bei einer Wochenarbeitszeit von 39 Stunden entspricht er einem monatlichen Gehalt zwischen 2.550,00 und 2.600,00 EUR (brutto). Die Regelung wurde am 7.12.2017 infolge der im Mai 2017 zwischen der Zweckgemeinschaft des Bundesverbandes der Träger beruflicher Bildung (BBB) als Arbeitgeberverband sowie den Gewerkschaften ver.di und GEW erzielten Einigung in einer Rechtsverordnung des BMAS erlassen. Diese ist bis Ende des laufenden Jahres gültig. Somit muss, wenn die Allgemeinverbindlichkeit längerfristig gewahrt bleiben soll, in 2018 ein neuer Tarifvertrag abgeschlossen und für allgemeinverbindlich erklärt werden (vgl. dazu die entsprechende Verordnung des BMAS v. 27.3.2019). Der Mindestlohn gilt aber nur dort, wo nicht bereits für Arbeitnehmer aufgrund weitergehender Regelungen oder Vereinbarungen günstigere Arbeitsbedingungen maßgebend sind. Ausgenommen von der Regelung sind schon danach Praktikanten einerseits und andererseits auch Beschäftigte bei Trägern, deren Geschäftsfeld nicht überwiegend in der Erbringung von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen liegt, und in Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation i. S. d. § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Allgemein wird angenommen, dass ca. 30.000 Pädagogen den Branchen-Mindestlohn erhalten.
Nicht alle Träger, die öffentliche Aufträge über Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem SGB II oder SGB III ausführen, unterfallen also dem durch Rechtsverordnung nach dem AEntG für allgemeinverbindlich erklärten Mindestlohntarifvertrag für die Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem SGB II oder SGB III, weil im AEntG entsprechend dem deutschen Tarifvertragssystem zur Bestimmung der Branchenzugehörigkeit das sog. Überwiegensprinzip gilt. Betriebe, in denen die überwiegende Arbeitszeit der Arbeitnehmer nicht auf Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen i. S. d. Mindestlohntarifvertrags entfällt, sind daher von der Rechtsverordnung nach dem AEntG nicht erfasst (vgl. BT-Drs. 18/12611). Dies betraf den Gesetzesmaterialien zufolge nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit in den Jahren 2014 bis 2016 jeweils 16 % aller öffentlichen Aufträge über Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem SGB II oder SGB III. Durch die Neuregelung im SGB III sollen im Zuge der Vergabe von Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem SGB II oder SGB III auch die Träger bei der Ausführung dieser öffentlichen Aufträge zur Zahlung des Mindestentgelts verpflichtet werden können, die nicht dem durch Rechtsverordnung nach dem AEntG für allgemeinverbindlich erklärten Mindestlohntarifvertrag unterfallen. Damit werden insbesondere die beiden politischen Ziele verfolgt, einerseits eine faire Entlohnung des Personals der Träger sicherzustellen und damit aufstockende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu vermeiden sowie andererseits den Wettbewerb zu stärken, indem ungerechtfertigte Preisvorteile durch geringe Entlohnung der Beschäftigten verhindert werden. Die Regelung steht der Gesetzesbegründung zufolge im Einklang mit EU-Recht, insbesondere mit der darauf ergangenen Rechtsprechung des EuGH in den Rechtssachen Rüffert (EuGH, Urteil v. 3.4.2008, C-346/06) und RegioPost (EuGH, Urteil v. 17.11.2015, C-115/14). In der Rechtssache Rüffert hatte der EuGH gerügt, dass nach dem Niedersächsischen Landesvergabegesetz die Einhaltung eines nicht allgemeinverbindlichen Tarifvertrages zur Ausführungsbedingung gemacht wurde. Darin sah der EuGH einen Verstoß gegen die Entsenderichtlinie und einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). In der Rechtssache RegioPost bestätigte der EuGH den gesetzlichen Vergabemindestlohn nach dem rheinland-pfälzischen Landesgesetz zur Gewährleistung von Tariftreue und Mindestentgelt bei öffentlichen Auftragsvergaben (LTTG), jedenfalls zu dem Zeitpunkt, auf den es für die Entscheidung ankam. Formell richtig war der Vergabemindestlohn in einer Rechtsvorschrift selbst festgelegt worden. Der EuGH sah nunmehr keinen Verstoß mehr darin, dass nur im Rahmen öffentlicher Aufträge tätige Arbeitnehmer begünstigt wurden.
Im Bereich der Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem SGB II oder SGB III sind nach der Gesetzesbegründung zur Vergabemindestentgeltverordnung 2019 rd. 22.000 Arbeitnehmer beschäftigt. Von der Festsetzung eines vergabespezifischen Mindestentgelts aufgrund dieser Verordnung sind jedoch nur die Beschäftigten – und da...