Rz. 9

Bei Zuerkennung von Rente wegen voller Erwerbsminderung ruht der Anspruch auf Alg vom Beginn der laufenden Rentenzahlung an (Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2). Das ist i. d. R. der erste Tag des Kalendermonats, der auf den bewilligenden Rentenbescheid folgt. Das gilt auch für die vollen Erwerbsminderungsrenten wegen verschlossenem Arbeitsmarkt. Bezieht der Arbeitslose bereits bei Eintritt der Arbeitslosigkeit Rente wegen voller Erwerbsminderung, bringt dies den Anspruch auf Alg von vornherein zum Ruhen. Zuerkannt ist die Rente dann, wenn die Agentur für Arbeit als Leistungsträger infolge der Zuerkennung Zahlungen zu erbringen hat. In Übergangsfällen 2000/2001 bestand ein Erstattungsanspruch der Bundesagentur für Arbeit wegen Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung aufgrund § 125 Abs. 3 Satz 1 in der ab 1.1.2001 geltenden Fassung (heute: § 145 Abs. 3 Satz 1) auch dann, wenn die Bewilligung 2001 oder später vom Träger der Rentenversicherung vorgenommen worden ist, die Rente aber bereits vor 2001 begonnen hat (BSG, Urteil v. 7.9.2010, B 5 KN 4/08 R). Damit konnten auch verfassungsrechtlich problematische Ergebnisse vermieden werden, weil ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz vorliegen könnte. Deshalb ist der Erstattungsanspruch nicht auf den Differenzbetrag zweiter Renten begrenzt, wenn einem Arbeitslosen als Bezieher von Rente für Bergleute rückwirkend eine höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt wird. Der Anspruch auf Alg ruht so lange, wie eine laufende Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt wird, ohne dass es hierfür auf eine nähere Auslegung fachlicher Weisungen der Bundesagentur für Arbeit ankommt. Die Rentenbewilligung der DRV hat für die Agentur für Arbeit Tatbestandswirkung und kann von dieser grundsätzlich nicht auf ihre materiell-rechtliche Richtigkeit überprüft werden (LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 29.6.2021, L 8 AL 1560/21).

Bei rückwirkender Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung hatte der Träger der Rentenversicherung entweder Kenntnis von der Gewährung von Alg durch die Agentur für Arbeit oder nicht. Bei Kenntnis des Rentenversicherungsträgers soll schon die Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X einem Erstattungsanspruch der Agentur für Arbeit gegen den Arbeitslosen entgegenstehen, auch eine Rücknahme oder Aufhebung der bewilligenden Entscheidung komme insofern nicht in Betracht (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 22.3.2012, L 1 AL 39/11). Die Agentur für Arbeit habe kein Wahlrecht, sich in Bezug auf einen Erstattungsanspruch statt an den Rentenversicherungsträger an den Arbeitslosen zu halten. Gegenüber dem Arbeitslosen besteht ein Erstattungsanspruch dann, wenn der Rentenversicherungsträger keine Kenntnis von der Gewährung des Alg hatte.

 

Rz. 10

Die Regelung steht nicht in indirekter Konkurrenz zu § 145. Nach Abs. 2 Satz 2 gilt § 145 Abs. 3 entsprechend, wenn die zuerkannte Rente nach § 43 Abs. 2 SGB VI mit Bezugszeiten von Alg zusammentrifft. In Nahtlosigkeitsfällen kann es nicht darauf ankommen, von welcher Einschätzung die Arbeitsverwaltung ausgegangen ist. Die rechtlichen Konsequenzen sind an den endgültigen Feststellungen zum Leistungsvermögen des Arbeitslosen auszurichten, die der Rentenversicherungsträger trifft. Voll erwerbsgemindert sind Personen, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Im Regelfall werden diese Menschen der Arbeitsvermittlung nicht i. S. v. § 138 Abs. 5 zur Verfügung stehen.

 

Rz. 10a

Die Erstattungsvorschrift des § 145 Abs. 3 Satz 2 ist trotz der Verweisungen in §§ 93 Abs. 3 und 156 Abs. 2 Satz 2 nicht auf die Bewilligung von Gründungszuschuss anwendbar (SG Freiburg, Urteil v. 25.3.2022, S 15 AL 1855/20). Nach dem klaren Wortlaut beschränkt sich der Anwendungsbereich auf die Erstattung von Alg nach den §§ 136 ff. SGB III. Diese im Vierten Kapitel ("Arbeitslosengeld und Insolvenzgeld") des SGB III genannte Entgeltersatzleistung unterscheidet sich in ihrem Sinn und Zweck maßgebend von dem im Dritten Kapitel ("Aktive Arbeitsförderung") geregelten und damit als Förderungsleistung ausgestalteten Gründungszuschuss nach den §§ 93 f. Der Gründungszuschuss soll eine gezielte Förderung erreichen und die Nachhaltigkeit von Existenzgründungen aus Arbeitslosigkeit stärken (unter Hinweis auf BT-Drs. 16/1696). Ziel der Leistung ist es demnach, Arbeitslosigkeit durch Aufnahme der selbständigen Tätigkeit zu beenden. Demgegenüber ist das Alg als Entgeltersatzleistung eine klassische Versicherungsleistung, die den Einkommensverlust durch den Eintritt der Arbeitslosigkeit ausgleichen soll. Diese grundlegende Unterscheidung manifestiert sich dem SG zufolge zudem im gesetzlich geregelten Vorrang der aktiven Arbeitsförderung (unter Hinweis auf § 5) und dem besonderen Verhältnis der Leistungen aktiver Arbeitsförderung zu anderen Leistungen (§ 22). Ein weitere...

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