0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift entspricht weitgehend § 141b Abs. 1 Satz 3, § 141c Satz 1 AFG. Sie ist durch Art. 1 AFRG v. 24.3.1997 (BGBl. I S. 594) als § 184 in das SGB III eingefügt worden. Zuletzt ist die Vorschrift durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt v. 20.12.2011 (BGBl. I S. 2854) zum 1.4.2012 geändert worden. Der Inhalt von § 184 a. F. ist nun in § 166 enthalten, ohne dass sich inhaltliche Veränderungen ergeben hätten.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift regelt abschließend die Tatbestände, bei denen der Anspruch auf Insolvenzgeld ausgeschlossen ist. § 166 soll die missbräuchliche Inanspruchnahme von Insolvenzgeld vermeiden.
2 Rechtspraxis
2.1 Ausschluss des Insolvenzgeldanspruches
Rz. 3
Insolvenzgeld kann für alle Ansprüche nicht gewährt werden, die dem Arbeitnehmer gerade wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zustehen. Abs. 1 Nr. 1 betrifft nur solches Arbeitsentgelt, das mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in ursächlichem Zusammenhang steht. Es handelt sich hierbei um Abfindungen, Entschädigungen oder ähnliche Leistungen, wie z. B. Ansprüche nach § 628 Abs. 2 BGB, die der Arbeitnehmer aus seinem Arbeitsvertrag wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangen kann. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung wird als Anspruch, den der Arbeitnehmer "wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses" hat, vom Ausschluss des § 166 Abs. 1 Nr. 1 erfasst (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 18.4.2008, L 12 AL 273/05; LSG Schleswig-Holstein, Urteil v. 25.6.2004, L 3 AL 84/03; SG Kiel, Urteil v. 6.5.2003, SG AL 201/02; BSG, Beschluss v. 19.10.2004, B 11 AL 179/04 B; BSG, Urteil v. 20.2.2002, SozR 3-4100 § 184 Nr. 1; Kühl, in: Brand, SGB III, § 166 Rz. 4; Mutschler, in: Krickrehm/Kreikebohm/Waltermann, SGB III, § 166 Rz. 3a). Nicht unter Abs. 1 Nr. 1 fallen solche Ansprüche, die lediglich aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt werden, z. B. noch ausstehende Prämien oder Gewinnausschüttungen. Offen und noch nicht höchstrichterlich geklärt ist die Frage, ob auch der Abfindungsanspruch nach § 1a KSchG unter Abs. 1 Nr. 1 fällt (vgl. BT-Drs. 15/1204 S. 12). Die wohl überwiegende Mehrheit sieht aber § 1a KschG von der Vorschrift mitumfasst (Voelzke, in: Hauck/Noftz, SGB III, § 166 Rz. 17; Kühl, in: Brand, SGB III, § 166 Rz. 3).
2.2 Ansprüche für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Rz. 4
Da § 165 den Zeitraum, für den Insolvenzgeld gewährt werden kann, auch durch den Zeitpunkt des Insolvenzereignisses (bzw. der Kenntnis von diesem, Abs. 2) begrenzt, kommt dem Anspruchsausschluss für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur Bedeutung zu, wenn das Arbeitsverhältnis rechtlich (nicht nur tatsächlich) vor dem Insolvenzereignis beendet worden ist. Abs. 1 Nr. 1 beruht auf der Erwägung, dass Insolvenzgeld nur für Ansprüche auf Arbeitsentgelt bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt werden soll (BT-Drs. 13/4941 S. 188). Nach der Rechtsprechung spricht die Formulierung "wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses" dafür, einen Anspruch von Abs. 1 Nr. 1 erfasst anzusehen, wenn zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Anspruch ein ursächlicher Zusammenhang besteht (BAG, Urteil v. 27.7.2017, 6 AZR 801/16 mit Hinweis auf BSG, Urteil v. 20.2.2002, B 11 AL 71/01 R). Nicht unter den Anspruchsausschluss fällt die Urlaubsabgeltung für nicht mehr zu realisierende Urlaubsansprüche (Peters-Lange, in: Gagel, SGB III, § 166 Rz. 8). Gleiches gilt für Schadensersatzansprüche wegen nicht gewährten Ersatzurlaubs (Peters-Lange, in: Gagel, SGB III, § 166 Rz. 9d). Etwas anderes gilt für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, wenn eine vorhandene Krankheit über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus dauert. Gleiches gilt für Ansprüche auf Abfindung aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (BAG, Urteil v. 27.7.2017, 6 AZR 801/16). Nicht hierunter fällt eine nachträglich vereinbarte Tariflohnerhöhung, soweit diese den Insolvenzgeldzeitraum betrifft.
2.3 Anfechtbare oder angefochtene Rechtshandlungen
Rz. 5
Ausgeschlossen sind auch die Ansprüche des Arbeitnehmers, die dieser aufgrund einer nach der Insolvenzordnung angefochtenen Rechtshandlung erworben hat, Abs. 1 Nr. 2. Da sich die Anfechtung des Insolvenzverwalters (vgl. §§ 129, 132, 133 InsO) hier nur auf Arbeitsentgeltansprüche beziehen kann, kommen nur Rechtshandlungen in Betracht, mit denen der Arbeitgeber zusätzliche, ungerechtfertigte oder unangemessene Entgeltansprüche oder Ansprüche auf einmalige Zuwendungen begründet hat. Entscheidende Voraussetzung für die Anfechtung ist der Vorsatz des Schuldners, die Insolvenzgläubiger zu benachteiligen.
Beispiel:
Der bereits zahlungsunfähige Schuldner
- erhöht das tarifliche Entgelt eines Arbeitnehmers ohne entsprechende Erhöhung der Gegenleistung (Arbeitsleistung),
- begründet noch formal ein Arbeitsverhältnis mit seiner Tochter.
Rz. 6
Das Gleiche gilt, wenn ein Insolvenzverfahren (mangels Antrags bzw. wegen eines Abweisungsbeschlusses des Insolvenzgerichts) nicht eröffnet worden ist und der Arbeitnehmer Ansprüche aufgrund einer Rechtshandlung erworben hat, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens anfechtbar wär...