Werbungskostenabzug bei steuerfreiem Insolvenzgeld
Hintergrund: Insolvenzgeld ist steuerfrei, fällt aber unter den Progressionsvorbehalt
Insolvenzgeld, das von der Bundesagentur für Arbeit anstelle des Arbeitslohnanspruchs gezahlt wird, ist von der Einkommensteuer befreit (§ 3 Nr. 2 Buchst. b EStG), unterliegt aber als steuerfreie Lohnersatzleistung dem sog. Progressionsvorbehalt (§ 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG).
Problem: Werbungskosten bei Bezug von Insolvenzgeld
Fraglich kann sein, ob ein Arbeitnehmer, der Insolvenzgeld bezogen hat, seine Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auch für den Zeitraum als Werbungskosten bei seinen steuerpflichtigen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehen kann, in dem er steuerfreies Insolvenzgeld bezogen hat.
Problematisch kann dies im Hinblick auf § 3c Abs. 1 EStG sein, wonach Ausgaben, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht als Werbungskosten abgezogen werden dürfen.
Beispiel
A war bei einer GmbH & Co. KG beschäftigt, über deren Vermögen Ende 2021 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Für den Zeitraum vom 1.1.2022 bis zur Insolvenzeröffnung Ende März 2022 erhielt der Steuerpflichtige nicht den ihm vom Arbeitgeber geschuldeten Arbeitslohn, sondern ein von der Bundesagentur für Arbeit gezahltes Insolvenzgeld. Ab Anfang April 2022 nahm der Steuerpflichtige eine Tätigkeit bei einem neuen Arbeitgeber auf.
In der Einkommensteuererklärung für 2022 macht A Werbungskosten von insgesamt 2.200 EUR bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend, u.a. auch Aufwendungen in Höhe von 360 EUR für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in dem Zeitraum vom 1.1. bis zum 31.3.2022 anhand der Entfernungspauschale (60 Fahrten à 20 Entfernungskilometer à 0,30 EUR).
Rechtsprechung des BFH zum Konkursausfallgeld
Führt ein Arbeitnehmer in dem Zeitraum, für den er Konkursausfallgeld erhält, Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durch, sind die Aufwendungen gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abzuziehen.
Zwischen den fraglichen Aufwendungen und dem Konkursausfallgeld besteht kein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang i.S.d. § 3c EStG (BFH, Urteil v. 23.11.2000, VI R 93/98, BStBl 2001 II S. 199).
§ 3c Abs. 1 EStG erfordert nach Auffassung des BFH einen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang von Ausgaben mit steuerfreien Einnahmen. Zwischen nach § 3 Nr. 2 Buchst. b EStG steuerfreiem Konkursausfallgeld und Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte besteht kein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang. Da der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber für den fraglichen Zeitraum den von diesem geschuldeten Arbeitslohn nicht erhalten hat, führen die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu vergeblichen Aufwendungen.
Dies lässt jedoch ihre Abziehbarkeit als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit unberührt. § 3c EStG steht dem Abzug der fraglichen Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Werbungskosten nicht entgegen. Diese Aufwendungen wurden nicht zur Erzielung des Konkursausfallgelds getätigt. Die Fahrten dienen der Erbringung der arbeitstäglich geschuldeten Dienstleistung. Damit sind sie abziehbar.
Praxis-Tipp: BFH-Rechtsprechung ist auf Insolvenzgeld anwendbar
Die BFH-Rechtsprechung zum Konkursausfallgeld gilt entsprechend für das Insolvenzgeld, das an die Stelle des Konkursausfallgelds getreten ist (vgl. Pust, HFR 2001 S. 433 und Fuhrmann in Korn, EStG § 9 Rn. 163). A kann daher die Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte für die Monate Januar bis März 2022 als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehen.
Diese Beurteilung ist auf andere Werbungskosten des Arbeitnehmers zu übertragen, die während der Dauer des Bezugs des Insolvenzgelds angefallen sind, wie beispielsweise der Erwerb von Arbeitsmitteln oder die AfA der bereits angeschafften Arbeitsmittel (vgl. Pust, HFR 2001 S. 433).
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