Rentenversicherungsbeiträge im Inland bei steuerfreien Einkünften aus einem Drittstaat
Ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang i. S. v. § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 1. Halbsatz EStG zwischen Einnahmen und Aufwendungen ist anzunehmen, wenn die Einnahmen und die Aufwendungen durch dasselbe Ereignis veranlasst sind. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn ein Steuerpflichtiger steuerfreie Einnahmen erzielt und dieser Tatbestand gleichzeitig Pflichtbeiträge an einen Sozialversicherungsträger auslöst. In diesem Fall geht die Steuerbefreiung dem Sonderausgabenabzug logisch vor.
Rückausnahme vom Abzugsverbot
§ 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 2. Halbsatz EStG sieht aber eine Rückausnahme vor, wonach Vorsorgeaufwendungen i. S. des Abs. 1 Nr. 2, 3 und 3a EStG zu berücksichtigen sind, soweit
- sie in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erzielten Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit stehen,
- diese Einnahmen nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung im Inland steuerfrei sind und
- der Beschäftigungsstaat keinerlei steuerliche Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen im Rahmen der Besteuerung dieser Einnahmen zulässt.
Die Rückausnahme vom Abzugsverbot ist auch auf Fälle einer nichtselbstständigen Tätigkeit in der Schweiz anzuwenden (vgl. BFH Urteil vom 05.11.2019 - X R 23/17).
Rückausnahme auch für andere Drittstaaten?
Das FG Hamburg hat sich mit der Frage beschäftigt, ob die Rückausnahme auch für andere Drittstaaten gilt.
Beispiel: A bezieht Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit sowohl in Deutschland als auch in China. Das Verhältnis liegt bei 20 zu 80. Die 80 % aus China sind laut DBA-China steuerfrei (mit Progressionsvorbehalt). Auf seine Gesamteinkünfte zahlte A im Inland auch Rentenversicherungsbeiträge, welche er in vollem Umfang als Sonderausgabe erklärte, da China nachweislich keine Berücksichtigung der Rentenversicherungsbeiträge im Rahmen der Besteuerung zulässt.
Das Finanzamt erkennt aber nur die Rentenversicherungsbeiträge auf die inländischen Einkünfte als Sonderausgabe an, da der Rest in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehe und die Rückausnahme nicht auf Drittstaaten anwendbar sei. A ist der Auffassung, dass sämtliche Beiträge anerkannt werden müssten, weil die späteren Einkünfte aus der gesetzlichen Rente versteuert werden, obwohl er die Altersvorsorgeaufwendungen nicht vollständig habe abziehen können.
FG Düsseldorf: Verstoß gegen das subjektive Nettoprinzip
Dies hat auch das FG Düsseldorf so gesehen (Urteil vom 10.07.2018 - 10 K 1964/17 E). Inländische (Pflicht-)Beiträge zur Rentenversicherung, die mit nach dem Doppelbesteuerungsab-kommen steuerfrei (mit Progressionsvorbehalt) gestellten Einkünften in Zusammenhang stehen und im Tätigkeitsstaat (Urteilsfall China und Brasilien) nicht abziehbar sind, seien als Sonderausgaben zu berücksichtigen.
Die Auslegung des § 10 Abs. 2 EStG dürfe nicht dazu führen, dass ein Steuerpflichtiger weder im Tätigkeitsstaat noch im Inland seine Vorsorgeaufwendungen geltend machen kann. Soweit die Altersvorsorgeaufwendungen nicht abgezogen werden dürften und zugleich eine spätere Besteuerung der Alterseinkünfte nach dem AltEinkG erfolgt, liege unabhängig von der Frage der systematischen Einordnung solcher Aufwendungen als Sonderausgaben oder vorweggenommene Werbungskosten ein Verstoß gegen das subjektive Nettoprinzip vor.
FG Hamburg: Kein Sonderausgabenabzug
Das FG Hamburg ist dagegen der Auffassung (Gerichtsbescheid vom 14.06.2021 - 1 K 73/19), dass sich die gesetzliche Regelung weder direkt noch im Wege des Analogieschlusses auf Vorsorgeaufwendungen im Zusammenhang mit steuerfreiem Arbeitslohn aus Drittstaaten übertragen lässt. Denn die innerhalb der EU geltende Arbeitnehmerfreizügigkeit gelte im Verhältnis zu Drittstaaten nicht. Es fehle daher an einer die Analogie rechtfertigenden vergleichbaren Interessenlage.
Auch fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke. Schließlich habe der Gesetzgeber durch die Begrenzung des Anwendungsbereichs auf bestimmte Länder gleichsam den Willen zum Ausschluss von Drittstaaten zum Ausdruck gebracht. Auch das subjektive Nettoprinzip gebiete keine einschränkende Auslegung des Sonderausgabenabzugsverbots, auch wenn die Vorsorgeaufwendungen in China nicht abgezogen werden können, aber die spätere Altersrente in Deutschland vollumfänglich besteuert wird. Es handele sich hierbei vielmehr um die Problematik einer möglichen Doppelbesteuerung. Die Prüfung, ob eine Doppelbesteuerung von Alterseinkünften vorliegt, sei jedoch erst bei Beginn des Rentenbezuges vorzunehmen.
Aktualisierung vom 27.4.2023: Der BFH hat entschieden
Der BFH hat mit Urteil v. 14.12.2022, X R 25/21, dem FG Hamburg zugestimmt und wie folgt entschieden: Bezieht ein Steuerpflichtiger für eine Tätigkeit in einem Drittstaat steuerfreien Arbeitslohn, sind hiermit im Zusammenhang stehende Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 1 EStG zur Vermeidung einer doppelten steuerlichen Berücksichtigung nicht als Sonderausgaben abziehbar. Das Verfassungsrecht verpflichtet den Gesetzgeber auch dann nicht, hiervon eine Ausnahme zu machen, wenn im Tätigkeitsstaat keine steuerliche Entlastung für die Aufwendungen gewährt wird. Danach sind die Rentenversicherungsbeiträge weder im Drittstaat noch im Inland als Vorsorgeaufwendungen abzugsfähig.
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