Revision eingelegt (BFH I R 31/21)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderausgabenabzug von inländischen Pflichtbeiträgen zur Renten- und Arbeitslosenversicherung für in Drittstaaten erzielten, im Inland steuerfreien Arbeitslohn
Leitsatz (amtlich)
1. Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung, die im Zusammenhang mit den nach einem Doppelbesteuerungsabkommen im Inland steuerfreien Einnahmen aus einer Tätigkeit des Steuerpflichtigen in einem Drittland stehen, sind nicht als Sonderausgaben nach gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG in der am 1. Januar 2021 geltenden Fassung (Gesetz vom 21. Dezember 2020, BGBl. I S. 3096) abzugsfähig. Denn erzielt der Steuerpflichtige steuerfreie Einnahmen, die gleichzeitig Pflichtbeiträge an die Sozialversicherungsträger auslösen, so besteht ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Einnahmen und den Aufwendungen. Das hat zur Folge, dass die Steuerbefreiung dem Sonderausgabenabzug logisch vorgeht.
2. Ein Sonderausgabenabzug lässt sich nicht auf die analogen Anwendung des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 a)-c) EStG stützen, da diese Regelung aufgrund des entgegenstehenden Willens des Gesetzgebers nicht auf steuerfreie Einkünfte aus Drittstaaten anwendbar ist. Auch ist eine einschränkende Auslegung des Abzugsverbots gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 EStG nicht verfassungsrechtlich zwingend geboten. Die Notwendigkeit einer solchen einschränkenden Auslegung folgt weder aus dem subjektiven Nettoprinzips noch aus dem Folgerichtigkeitsgebot (andere AnsichtFG Düsseldorf, Urteil vom 10. Juli 2018, 10 K 1964/17 , EFG 2018, 1515; ausdrücklich offengelassen hingegen durch BFH, Urteil vom 18. April 2012, X R 62/09, BStBl II 2012, 721, Urteil vom 5. November 2019, X R 23/17, BStBl II 2020, 763).
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nrn. 2, 3a, Abs. 2 S. 1 Nr. 1; DBA CHN Art. 15
Tatbestand
Die Kläger begehren die Berücksichtigung von Aufwendungen für Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016, soweit sie im Zusammenhang mit den ausländischen Einkünften des Klägers aus einem Drittstaat stehen.
Der Kläger war im Streitjahr bei einem deutsch-chinesischen Joint Venture als Diplom-Kaufmann tätig, wobei er in diesem Zeitraum insgesamt 224 Arbeitstage in China tätig war. Er erzielte hierbei im Jahr 2016 Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit sowohl in Deutschland als auch in China. In der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2016 erklärten die Kläger Einkünfte des Klägers in Höhe von insgesamt EUR .... Hiervon entfielen laut Erklärung 12,28 %, mithin EUR ..., auf im Inland steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und die restlichen 87,72 %, mithin EUR ..., auf nach Art. 15 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Deutschland und China vom 28. März 2014 ("DBA-China"; BGBl 2015 II S. 1647) im Inland steuerfreie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Zudem wurden Beiträge zur Rentenversicherung in Höhe von EUR ... und zur Arbeitslosenversicherung in Höhe von EUR ... des Klägers für das gesamte Jahr 2016 als Sonderausgaben erklärt.
Im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016 vom 7. März 2018 berücksichtigte der Beklagte lediglich EUR ... der erklärten Rentenversicherungsbeträge und EUR ... der erklärten Arbeitslosenversicherungsbeiträge. Eine weitergehende Berücksichtigung der erklärten Vorsorgeaufwendungen sei hingegen ausgeschlossen, da diese in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stünden und deshalb keine berücksichtigungsfähigen Sonderausgaben darstellten.
Gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 legten die Kläger am 3. April 2018 Einspruch ein und beantragten die volle Berücksichtigung der erklärten Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge. Der Kläger müsse die späteren Einkünfte aus der gesetzlichen Rente versteuern, obwohl er die Altersvorsorgeaufwendungen nicht vollständig habe abziehen können. Im Falle des Erhalts von Arbeitslosengeld unterliege dieses dem Progressionsvorbehalt, obwohl der Kläger die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung nicht vollständig habe abziehen können. Deshalb seien die erklärten Vorsorgeaufwendungen vollständig zu berücksichtigen.
Mit Schreiben vom 24. April 2018 sowie vom 18. Januar 2019 teilte der Beklagte den Klägern mit, dass ein Sonderausgabenabzug gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) seiner Ansicht nach insoweit entfalle, wie die erklärten Vorsorgeaufwendungen mit den steuerfreien Einnahmen des Klägers im wirtschaftlichem Zusammenhang stünden. Zwar folge aus dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 11. Dezember 2017 (IV C 3 - S 2221/14/10005: 003 BStBl. 2017 I S. 1624) und der Rechtsprechung (EuGH, Urteil vom 22. Juni 2017 C-20/16, EU:C:2017:488 - Bechtel, BStBl II 2017, 1271), dass entgegen der Regelung des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG Vorsorgeaufwendungen unter bestimmten Voraussetzungen nicht unter das Abzugsverbot fielen. Dies betreffe jedoch nur ausländische Einkünfte aus EU- oder EWR-Mitgliedsst...