0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist durch Art. 1 AFRG v. 24.3.1997 (BGBl. I S. 594) als § 189 in das SGB III eingefügt worden. Zuletzt ist die Vorschrift durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt v. 20.12.2011 (BGBl. I S. 2854) zum 1.4.2012 geändert worden. Der Inhalt von § 189 a. F. ist nun in § 171 enthalten, ohne dass sich inhaltliche Veränderungen ergeben hätten. Gegenüber dem bisherigen § 189 sind Anpassungen zur sprachlichen Gleichbehandlung von Frauen und Männer erfolgt (BT-Drs. 17/6277, Begründung zu Art. 2 Nr. 18, S. 105).
1 Allgemeines
Rz. 1a
Die Vorschrift verdrängt als Spezialvorschrift die §§ 53 bis 55 SGB I und regelt selbständig die Übertragbarkeit, Pfändbarkeit und Verpfändbarkeit des Anspruchs auf Insolvenzgeld.
2 Rechtspraxis
2.1 Wirksamkeit des Pfandrechts/der Übertragung
Rz. 2
Vor Insolvenzgeldbeantragung kann über den Insolvenzgeldanspruch nur zusammen mit dem Anspruch auf Arbeitsentgelt verfügt werden (Kühl, in: Brand, SGB III, § 171 Rz. 3 m. w. N.). Übertragungen des Insolvenzgeldanspruchs vor dessen Beantragung sind daher grundsätzlich nach § 134 BGB unwirksam, weil nach § 170 SGB III der Anspruch auf Insolvenzgeld vor Antragstellung dem Inhaber des Arbeitsentgeltanspruchs zusteht (Schmidt, in: NK-SGB III, § 171 Rz. 7; Kühl, a. a. O., Rz. 3 m. w. N.). Ist dagegen das Insolvenzgeld bereits beantragt worden, ist der Anspruch auf Insolvenzgeld im Rechtsverkehr wie Arbeitseinkommen zu behandeln. Er kann wie dieses gepfändet, verpfändet oder übertragen werden. So gelten die Pfändungsbeschränkungen der §§ 850 bis 850i ZPO unmittelbar bzw. für die Aufrechnungen, Abtretungen und Verpfändungen kraft Verweisung (vgl. §§ 394, 400, 1274 Abs. 2 BGB, vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 15.8.2012, L 18 AL 25/10 zu § 400 BGB). Die Einschränkungen der §§ 53 bis 55 SGB I sind nicht anwendbar (Mutschler, in: Knickrehm/Kreikebohm/Walterman, SGB III, § 171 Rz. 1; Kühl, in: Brand, SGB III, § 171 Rz. 4). Bei der Ermittlung des pfändbaren Teils des Insolvenzgeldes ist für denselben Zeitraum bereits gezahltes Arbeitsentgelt zu berücksichtigen (hinzuzurechnen); denn insoweit hat dem Schuldner das Geld bereits tatsächlich zur Verfügung gestanden.
Rz. 3
Die Agentur für Arbeit kann mit befreiender Wirkung nur an den (Pfand-)Gläubiger leisten, es sei denn, das Pfandrecht oder der Anspruchsübergang sind ihm (noch) nicht bekannt (vgl. §§ 407, 412, 1273, 1275 BGB). Ist der Anspruch auf Insolvenzgeld verpfändet worden, die mit dem Pfandrecht gesicherte Forderung aber noch nicht fällig (pfandreif), kann die Agentur für Arbeit mit befreiender Wirkung nur an den Pfandgläubiger und an den Inhaber der Forderung gemeinschaftlich leisten oder den Betrag hinterlegen (§ 1281 BGB); dann erwirbt der Pfandgläubiger ein Pfandrecht an dem Auszahlungsbetrag (§ 1287 Satz 1 BGB).
2.2 Vorübergehende Unwirksamkeit der Pfändung
Rz. 4
Wird der Anspruch auf Insolvenzgeld schon vor Stellen des Antrags gepfändet, wird die Pfändung erst mit dem Antrag wirksam (aufschiebende Bedingung). Sofern der Anspruch auf Insolvenzgeld nicht bereits durch Verfügungen über das Arbeitsentgelt gemäß § 170 belastet ist, ist die frühzeitige Pfändung für den Pfandgläubiger wegen des Prioritätsprinzips des § 804 Abs. 3 ZPO – nach dem die frühere Pfändung der späteren im Rang vorgeht – von besonderer Bedeutung.
Demgegenüber ist eine Verpfändung oder Übertragung des Anspruchs auf Insolvenzgeld vor der Antragstellung dauerhaft unwirksam und für die Befriedigung einer Forderung wertlos. Bei Pfändungen vor Antragstellung gilt das Prioritätsprinzip. Vorrang hat die Pfändung, die der Arbeitsverwaltung zuerst zugestellt worden ist.