Rz. 3
§ 324 Abs. 2 lässt eine nachträgliche Antragstellung auf Berufsausbildungsbeihilfe und das Ausbildungsgeld zu. Abs. 1 lässt als Folge der nachträglichen Antragstellung auch eine rückwirkende Leistungsgewährung der Berufsausbildungsbeihilfe und des Ausbildungsgeldes zu. Diese Leistungen können von Beginn des Monates der Antragstellung gezahlt werden. Anträge, die am ersten Kalendertag eines Monats gestellt werden, entfalten keine Rückwirkung. Eine weitergehende Auslegung ist auch dann nicht möglich, wenn die Agentur für Arbeit am letzten Tag des Kalendermonates nicht dienstbereit war und der Antrag am nächsten Tag, aber eben verspätet gestellt wird. Eine andere Auslegung ist auch nicht möglich, um unbillige Härten zu vermeiden. Aus § 324 Abs. 1 Satz 2 lässt sich anderes nicht herleiten. Diese Regelung gilt nicht für die Leistungen bzw. die Antragstellung nach § 324 Abs. 2. Fraglich ist die Anwendbarkeit des § 324 Abs. 1 Satz 2 bei der Ermittlung des Leistungsbeginns. Das würde z. B. ermöglichen, Berufsausbildungsbeihilfe bei Vorliegen einer unbilligen Härte auch für zurückliegende Monate zu gewähren, die vor der Antragstellung liegen. Die Anwendbarkeit muss im Ergebnis aber wohl verneint werden. Den Leistungsbeginn regelt allein § 325. Dagegen bestimmt § 324 Abs. 1 Satz 2 nur, ob bei verspäteter Antragstellung Leistungen überhaupt noch möglich sind.
Rz. 4
Alg kann nach § 324 Abs. 2 nachträglich beantragt werden. Alg kann nach Abs. 2 Satz 1 grundsätzlich nicht rückwirkend geleistet werden. Abs. 2 Satz 2 macht hiervon eine Ausnahme, wenn eine (ab 1.1.2022 nicht mehr zwingend persönliche) Arbeitslosmeldung mangels Dienstbereitschaft der Agentur für Arbeit zurückwirkt. In gleichem zeitlichem Umfang wirkt dann auch der Antrag zurück. Zu dieser Regelung gibt es keine Alternative, weil ansonsten die Begünstigung aus der Rückwirkung der Arbeitslosmeldung nach § 141 Abs. 3 in den meisten Fällen ins Leere liefe.
Rz. 5
Die Regelungen sind angesichts moderner Technik zur Realisierung von Leistungsansprüchen nicht mehr zeitgemäß. Dispositionen der Arbeitsverwaltung oder Komplexität der Abwicklung können als Gründe für begrenzte Rückwirkungen nicht mehr herangezogen werden. Richtig ist zwar, dass Entgeltersatzleistungen gerade den laufenden Lebensunterhalt abdecken sollen. In einer Gesellschaft mit hohem Sparvermögen und weitreichenden Dispositionskrediten erscheint die gesetzliche Vermutung, die Leistungen würden nicht mehr benötigt, wenn sie nicht aktuell beantragt worden sind, nicht mehr haltbar. Dabei ist im Übrigen zu bedenken, dass auch das Alg – wie die Berufsausbildungsbeihilfe und das Ausbildungsgeld – auf monatliche Zahlung ausgelegt ist. Die Regelungen sind auch mit Rücksicht auf Leistungsverfahren zur Vermeidung von Leistungsmissbrauch nicht mehr zeitgemäß. So ist es Arbeitslosen bereits jetzt unbenommen, ihre Identität nicht mehr im Rahmen einer persönlichen Vorsprache in der Agentur für Arbeit nachzuweisen, sondern elektronisch mit einem Self-Ident-Verfahren.
Rz. 6
Berechtigte können sich nicht darauf berufen, bei früherer Antragstellung hätte die Arbeitsverwaltung auch nicht früher über die Ansprüche entschieden und die Leistung zahlbar gemacht.
Das Übermittlungsrisiko für den rechtzeitigen Zugang des Antrags und damit auch das Risiko einer langen Postbeförderung trägt der Antragsteller auch bei coronabedingten Besonderheiten. Es besteht auch dann kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch, wenn das E-Mail-Postfach der Agentur für Arbeit aufgrund des Umfangs der Antragsunterlagen nicht empfangsbereit war (LSG Hamburg, Urteil v. 18.1.2023, L 2 AL 17/22).
Rz. 7
Kurzarbeitergeld, die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen und Lehrgangskosten für Bezieher von Kurzarbeitergeld einschließlich Wintergeld als ergänzende Leistung nach § 102 sowie Leistungen bei Teilnahme an Transfermaßnahmen werden im Hinblick auf die Verpflichtung zur nachträglichen Antragstellung (§ 324 Abs. 2 Satz 2) nicht in ihrer Rückwirkung beschränkt. Stattdessen gilt eine Ausschlussfrist von 3 Monaten für diese nachträgliche Antragstellung. Diese muss zwingend schriftlich erfolgen. Lehrgangskosten können seit dem 1.1.2021 durch die Agentur erstattet werden, auch wenn die Weiterbildung nicht den Voraussetzungen des § 82 entspricht. Diese Möglichkeit wurde ebenfalls mit dem Beschäftigungssicherungsgesetz, das die Änderung des Abs. 3 normiert, in § 106a Abs. 2 und 3 geregelt. Der zeitliche Umfang der Weiterbildung muss mindestens 50 % der Arbeitsausfallzeit (bis 31.12.2020) und ab 1.1.2021 als zugelassene Maßnahme (§§ 176 ff.) mindestens 120 Stunden betragen. Außerdem muss die Weiterbildung ab 1.1.2021 auf ein nach § 2 Abs. 1 Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz förderfähiges Fortbildungsziel vorbereiten und von einem danach geeigneten Träger durchgeführt werden.
Die in der als Ausschlussfrist konzipierten Frist des § 325 Abs. 3 zu stellenden Anträge auf Kurzarbeitergeld haben als Mindestinhalt neben der Festlegung der Ausfallzeit und de...