0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Abs. 1 wurde als redaktionelle Folgeänderung zum Verzicht auf die Einkommensanrechnung bei Teilnehmern an berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen durch das Ausbildungsförderungsreformgesetz aufgehoben mit Art. 1 Nr. 31 des Job-AQTIV-Gesetzes v. 10.12.2001 (BGBl. I S. 3443).
Rz. 2
Mit dem Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt v. 24.12.2003 (BGBl. I S. 2954) wurde § 74 a. F. ab 1.1.2005 das Nebeneinander zweier staatlicher Fürsorgesysteme – der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe für Erwerbsfähige – durch die im neu geschaffenen SGB II normierten Vorschriften zur Leistung Arbeitslosengeld II (§§ 19 ff.) beseitigt. Die Leistung Arbeitslosenhilfe nach dem SGB III ist demzufolge ab diesem Zeitpunkt nicht mehr existent. Die Vorschrift wird deshalb ab 1.1.2005 dahin gehend angepasst. Zuletzt ist der Inhalt der Vorschrift mit Art. 2 Nr. 18 des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt v. 20.12.2011 (BGBl. I S. 2854) mit Wirkung zum 1.4.2012 von § 74 in § 70 übertragen worden. Die Vorschrift ist inhaltlich gegenüber dem bisherigen § 74 bis auf sprachliche Überarbeitungen nicht verändert worden.
1 Allgemeines
Rz. 3
Ungelernten Arbeitslosen, die bereits im Erwerbsleben gestanden haben stehen wegen des zunehmenden Wegfalls von Einfacharbeitsplätzen ohne eine weitere berufliche Qualifizierung immer geringere Eingliederungsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt offen, so dass die erleichterten Zugangsvoraussetzungen und Anreize zum Überwechseln von Arbeitslosen in eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme mit dem Ziel einer nachhaltigen Qualifizierung eine folgerichtige Konsequenz darstellen.
2 Rechtspraxis
2.1 Berücksichtigung des Arbeitslosengeldes (Satz 1)
Rz. 4
Nach Satz 1 hat ein Arbeitsloser, der zu Beginn der Maßnahme ansonsten Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt hätte, das höher ist als der zugrunde zu legende Bedarf für den Lebensunterhalt, Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) in Höhe des Arbeitslosengeldes. Arbeitslos sind Personen, die vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, eine versicherungspflichtige Beschäftigung suchen und dabei den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stehen und sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet haben. Nach § 16 Abs. 2 gelten an Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik Teilnehmende als nicht arbeitslos. Unter "Arbeitslosengeld" ist das Arbeitslosengeld nach dem SGB III und nicht das nach dem SGB II bewilligte Arbeitslosengeld II zu verstehen (Brecht-Heitzmann, in: Gagel, SGB III, § 70 Rz. 14; Hassel, in: Brand, SGB III, § 70 Rz. 2; Wagner, in: Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, § 70 Rz. 8). Damit soll vermieden werden, dass eine Ausbildung allein deswegen nicht aufgenommen wird, weil das erzielbare Arbeitslosengeld höher ist als die zu gewährende BAB.
Rz. 5
Satz 1 verlangt den Vergleich der Ergebnisse zweier Leistungsanspruchsberechnungen (Schmidt, in: BeckOK, SGB III, § 70 Rz. 2). Zunächst ist der Bedarf für den Lebensunterhalt des Teilnehmers an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme nach § 62 dieses Gesetzes festzustellen. Diesem Bedarf wird der Leistungssatz des Arbeitslosengeldes gegenübergestellt. Die höhere Leistung kommt zur Auszahlung (ebenso: Brecht-Heitzmann, in: Gagel, SGB III, § 70 Rz. 19; Herbst, in: jurisPK-SGB III, § 70 Rz. 19, Schön, in: Böttiger/Körtek/Schaumberg, SGB III, § 70 Rz. 3; Wagner, in: Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, § 70 Rz. 8; a. A. Schmidt, in: BeckOK, SGB III, § 70 Rz. 1, der in einem Vergleich den Gesamtbedarf für die BAB der Höhe des Arbeitslosengeldanspruchs gegenüberstellt).
2.2 Anrechnung von Einkommen (Satz 2)
Rz. 6
Satz 2 beschreibt die Anrechnung von Einkommen, welches während des Besuchs dieser Bildungsmaßnahme erzielt wird. Erhält der Teilnehmer an berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen BAB nach dem höheren Satz an Arbeitslosengeld, wird ein etwaiges Nebeneinkommen während des Bezuges dieser Leistung angerechnet. In den Fällen, in denen § 70 nicht zur Anwendung kommt – die BAB wird also nach den Bedarfssätzen des § 62 bewilligt –, gelten für ein Nebeneinkommen des (ehedem arbeitslosen) Teilnehmers die Vorschriften des § 68 zur Anrechnung.