Rz. 17
Die Einführung von Kurzarbeit kann auf unterschiedliche Art und Weise. Sie kann auf kollektivrechtliche Basis durch Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat aber auch – in betriebsratslosen Betrieben – auf individualrechtlicher Basis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erfolgen. Die Vereinbarung kann mit jedem Arbeitnehmer formlos getroffen werden. Möglich ist z. B. das ein Angebot des Arbeitgebers per Rundmail oder Aushang, das von den Arbeitnehmern ausdrücklich oder durch schlüssiges Handeln angenommen wird. Darüber hinaus kann der Arbeitgeber durch Kündigung des Arbeitsverhältnisses unter gleichzeitiger Anbietung neuer Arbeitsverträge mit geänderten Bedingungen (Änderungskündigung) eine Verkürzung der Arbeitszeit herbeiführen (Kühl, in: Brand, SGB III, § 95 Rz. 10; Welbokorsky/Klein, in: Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, SGB III, § 95 Rz. 7). Denkbar ist die Einführung von Kurzarbeit auch über im Arbeitsvertrag enthaltene Kurzarbeitsklauseln, die es dem Arbeitgeber ermöglichen, die Arbeitszeit des betroffenen Arbeitnehmers herabzusetzen. Der Arbeitgeber kann also nicht ohne weiteres über sein Direktionsrecht, Kurzarbeit anordnen, sondern es bedarf einer besonderen arbeitsrechtlichen Grundlage (BSG, Urteil v. 21.7.2009, B 7 AL 3/08 R; Welbokorsky/Klein, in: Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, SGB III, § 95 Rz. 7). Dies gilt unabhängig davon, ob die Kurzarbeit bei der Bundesagentur angezeigt und genehmigt worden ist. Die Genehmigung betrifft nur die Frage, ob Kug nach den §§ 95 ff. gewährt wird, nicht aber, ob Kurzarbeit wirksam im Arbeitsverhältnis umgesetzt worden ist (BAG, Urteil v. 16.12.2008, 9 AR 164/08; LAG Hamm, Urteil v. 1.8.2012, 5 Sa 27/12). Tarifnormen, die dem Arbeitgeber erlauben, einseitig Kurzarbeit mit entsprechender Lohnminderung einzuführen, ohne das es auf weitere geregelte Voraussetzungen ankommt, sind wegen Verstoßes gegen kündigungsrechtliche Bestimmungen nichtig (BAG, Urteil v. 27.1.1994, 6 AZR 541/93). Erlässt die Agentur für Arbeit eine Entlassungssperre nach § 19 KSchG, kann sie die Einführung von Kurzarbeit zulassen, wenn der Arbeitgeber nicht in der Lage ist, seine Belegschaft in dieser Zeit voll zu beschäftigen und kein Tarifvertrag entgegensteht.
2.5.1 Betriebsvereinbarung
Rz. 18
Kurzarbeit kann im Rahmen einer zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber abgeschlossenen Betriebsvereinbarung eingeführt werden (BAG, Urteil v. 18.11.2015, 5 AZR 491/14; Petzold, in: Hauck/Noftz, SGB III, § 95 Rz. 5; Kühl, in: Brand, SGB III, § 95 Rz. 11). Grundsätzlich hat der Betriebsrat über die vorübergehende Verkürzung der betriebsüblichen Arbeitszeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG mitzubestimmen. Betriebsübliche Arbeitszeiten sind alle Arbeitszeiten, die die Arbeitnehmer, ein Teil von ihnen oder auch ein einzelner Arbeitnehmer jeweils individualrechtlich dem Arbeitgeber schulden (BAG, Beschluss v. 16.7.1991, 1 ABR 69/90). Arbeitgeber und Betriebsrat müssen sich also über die Einführung der Kurzarbeit und deren Umfang einigen. Für die wirksame Vereinbarung von Kurzarbeit ist es erforderlich, dass in einer Betriebsvereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit, die normative Wirkung für die betroffenen Arbeitnehmer entfalten soll, Beginn und Dauer der Kurzarbeit, die Lage und Verteilung der Arbeitszeit, die Auswahl der von der Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer oder die Abteilung sowie die Zeiträume, in denen die Arbeit ganz ausfallen soll, festgelegt werden, um dem für Rechtsnormen geltenden Bestimmtheitsgrundsatz zu genügen (LAG Hamm, Urteil v. 1.8.2012, 5 Sa 27/12). Der Betriebsrat verstößt gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit, wenn er beschließt, der Einführung von Kurzarbeit nur unter der Bedingung zuzustimmen, dass sich der Arbeitgeber zur vollen Lohnzahlung über das Kug hinaus verpflichtet, falls die Agentur für Arbeit kein Kug leistet (LAG Köln, Beschluss v. 14.6.1989, 2 TaBV 17/89). Dem Betriebsrat steht ein Initiativrecht zur Einführung von Kurzarbeit zu (BAG, Beschluss v. 4.3.1986, 1 ABR 15/84; Welbokorsky/Klein, in: Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, SGB III, § 95 Rz. 15).
Rz. 19
Kommt eine Einigung nicht zustande, entscheidet die Einigungsstelle auf Antrag einer Seite. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt in diesem Fall die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Insofern kann der Betriebsrat über den Spruch der Einigungsstelle die Einführung der Kurzarbeit auch gegen den Willen des Arbeitgebers durchsetzen (BAG, Beschluss v. 4.3.1986, 1 ABR 15/84). Wird das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Einführung von Kurzarbeit vom Arbeitgeber missachtet, sind individuelle arbeitgeberseitige Änderungskündigungen oder Aufhebungsverträge unwirksam. Der Arbeitgeber wird von seiner Vergütungspflicht nicht frei und muss das volle Arbeitsentgelt wegen Annahmeverzugs an den Arbeitnehmer zahlen.
Rz. 20
Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Einführung von Kurzarbeit gilt uneingeschränkt in den Betrieben, in denen kein Tarifvertrag besteht. Besteht allerdings im Betrieb ein Ta...