Rz. 2
Unmittelbarer Vorläufer der Regelungen in den §§ 123 ff. SGB IX sind die Vorschriften des Zehnten Kapitels SGB XII (§§ 75 bis 81) über die Einrichtungen und Dienste der Sozialhilfe und damit auch der Eingliederungshilfe (Sechstes Kapitel SGB XII), die wiederum mit Wirkung zum 1.1.2005 die §§ 93 BSHGff. abgelöst haben.
Rz. 3
Entscheidende Stationen der Novellierung der mit Wirkung zum 1.1.1984 eingeführten (BGBl. I 1983 S. 1532) Vorgängervorschrift des § 93 BSHG waren das Gesetz zur Umsetzung des föderalen Konsolidierungsprogramms (BGBl. I 1993 S. 944), das erstmals Tatbestände zur Konkretisierung der Vereinbarungen um Bestimmungen über Inhalt, Umfang, Qualität und Kosten der Leistung und deren Prüfung durch die Kostenträger vorgab und vor allem das Zweite Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (2. SKWPG, BGBl. I 1993 S. 2374), mit dem eine Umstellung der Vergütungssystematik mit dem Ziel der Kostendämpfung bei Leistungen der Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege in Einrichtungen vorgenommen wurde. Wurde zunächst das sog. Selbstkostendeckungsprinzip (also eine retrospektive Kostenübernahme entstandener Kosten) praktiziert, werden seit der Umstellung mit Wirkung zum 1.7.1994 zwingend die Vergütungen im Voraus vereinbart (sog. prospektiver Pflegesatz; vgl. Begründung Regierungsentwurf, BR-Drs. 12/5510 S. 10 f.). Auch wurde für Konflikte zwischen den Sozialhilfeträgern (Leistungsträger) und leistender Dritter (Leistungserbringer) über die Vereinbarungen ein Schiedsstellenverfahren eingeführt (vgl. Begründung Regierungsentwurf, BR-Drs. 12/5510 S. 11 f.). Mit dem Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts v. 23.7.1996 (BGBl. I S. 1088) erfolgte mit Wirkung zum 1.1.1999 erneut eine grundlegende Überarbeitung, indem jetzt Mindestinhalte der Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung bestimmt wurden, weiterhin erfolgte eine Beschränkung der Zuständigkeit der Schiedsstellen auf die Vergütungsvereinbarung. Mit der Überleitung des BSHG in das SGB XII mit Wirkung zum 1.1.2005 wurden die Vorschriften des BSHG zum Leistungserbringungsrechts weitgehend inhaltsgleich in das Zehnte Kapitel SGB XII (§§ 75 bis 81) übernommen und kein erneuter Reformschritt unternommen (Überblick zu einigen Änderungen anlässlich der Überleitung: Schumacher, Rechtsdienst der Lebenshilfe 1/04 S. 12 ff.). Eine Initiative des Bundesrates aus dem Jahr 2010 (BR-Drs. 394/10 v. 26.11.2010) für eine grundlegende Überarbeitung des Leistungserbringungsrecht mit dem Ziel einer Stärkung der Steuerungsfunktion der Leistungsträger durch zwingende gesetzlich bestimmte Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfungen und einer robusten Sanktionierung der Folgen der Verletzung vertraglicher oder gesetzlicher Pflichten, wurde nicht weiterverfolgt und auf die nunmehr erfolgte Reform des Rechts der Eingliederungshilfe verschoben.
Rz. 4
Vorläuferregelung des Abs. 1 ist § 75 Abs. 2 Satz 2 SGB XII i. d. F. bis 31.12.2019 und § 77 Abs. 1 Satz 2 SGB XII i. d. F. bis 31.12.2019, der die Vertragsparteien der Vereinbarungen regelte. Die Bindung anderer Träger der Eingliederungshilfe (Abs. 2 Satz 1) legte § 77 Abs. 1 Satz 2 HS. 2 SGB XII i. d. F. bis 31.12.2019 fest. Die Verbindlichkeit vertraglicher Regelung (Abs. 1 Satz 1) war in § 75 Abs. 3 SGB XII i. d. F. bis 31.12.2019 normiert. Die Verpflichtung des Leistungserbringers, Leistungsberechtigte aufzunehmen und Leistungen der Eingliederungshilfe zu erbringen (Abs. 4), war als Ausgestaltungspflicht des Vertrages in § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB XII i. d. F. bis 31.12.2019 festgelegt. Die Öffnungsklausel des Abs. 5 (Kostenübernahme ohne Vereinbarung) war in § 75 Abs. 4 SGB XII i. d. F. bis 31.12.2019 geregelt.
Da für die Erbringung von Fachleistungen der Eingliederungshilfe (neu) nach dem Recht des Art. 1 Teil 2 BTHG mit Wirkung zum 1.1.2020 nicht mehr auf den Leistungsort abgestellt wird (personenzentrierter Ansatz), ersetzt der Begriff des "Leistungserbringers" in Abs. 1 die bisherige Unterscheidung zwischen (teilstationären und stationären) Einrichtungen und Diensten (ambulante Leistungen).