Rz. 14
Abs. 1 Satz 6 stellt ebenfalls in Anlehnung an die Rechtsprechung zum SGB XI klar, dass die Einhaltung einer Tarifbindung und ein daraus entstehender höherer Personalkostenaufwand stets den Grundsätzen wirtschaftlicher Betriebsführung genügen (BSG, Urteil v. 7.10.2015, B 8 SO 21/14 R, Rz. 19, BSGE 120 S. 51 m.w.N). Tarifliche Zahlungen – dazu zählen auch Zahlungen nach den Vergütungsrichtlinien des Caritasverbandes (AVR) – sind damit einer zusätzlichen vergleichenden, externen (marktorientierten) Angemessenheitskontrolle nicht mehr zugänglich. Die Bezahlung tariflich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen sind auch dann als wirtschaftlich angemessen anzusehen, wenn die geforderte Vergütung aus diesem Grunde nicht im unteren Drittel liegt (kritisch aus kommunaler Sicht – "Vertrag zu lasten Dritter, der Leistungsträger": Vorholz, RP Reha 4/2016 S. 9, 13). Höhere Personalkosten der Leistungserbringer, die den überwiegenden Anteil an den Kosten ausmachen, werden damit im Rahmen des externen Vergleichs insoweit nicht zulasten der Leistungserbringer berücksichtigt, als diese eine Folge der Tarifgebundenheit des Leistungserbringers sind (vgl. Begründung Regierungsentwurf BTHG, BR-Drs. 428/16 S. 300). Eine Klarstellung der Wirkung des "Tarifprivilegs" in Abs. 1 Satz 6 durch den Zusatz "soweit die Vergütung aus diesem Grunde oberhalb des unteren Drittels liegt" erfolgte durch Änderungsantrag zu § 124 (vgl. Beschlussempfehlung Arbeits- und Sozialausschuss des Deutschen Bundestages, BT-Drs. 18/10523 S. 13). Mit der Ergänzung der Regelung zum externen Vergleich wird klargestellt, dass tariflich vereinbarte Vergütungen und Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen auch in den Fällen, in denen die Vergütung aus diesem Grunde oberhalb des unteren Drittels liegt, nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden dürfen. Im Rahmen der Beurteilung der wirtschaftlichen Angemessenheit der Vergütungsforderung muss daher der Träger der Eingliederungshilfe die Tarifbindung zugunsten des Leistungserbringers berücksichtigen (vgl. Beschlussempfehlung Arbeits- und Sozialausschuss des Deutschen Bundestages, BT-Drs. 18/10523 S. 61 f.).
Rz. 14a
Die Erweiterung der Vergütungsprivilegierung im SGB XI – Rechtskreis zum 1.1.2017 durch das PSG III, wonach auch die Bezahlung von Gehältern ohne tarifliche oder kirchliche Arbeitsrechtsregelung bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen (§ 84 Abs. 2 S. 4 u. § 89 Abs. 1 S. 4 SGB XI i. d. F.d. PSG III) nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden darf, wurde in § 124 nicht nachvollzogen. Hintergrund der Regelung, Vergütungen nicht tarifgebundener Leistungserbringer bis zur Höhe von Tariflöhnen als wirtschaftlich anzuerkennen, war das Ziel, den Wettbewerb der Leistungserbringer von Pflegeleistungen nicht mehr über niedrige Gehälter, sondern über Qualität, Effizienz und Innovation führen zu lassen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages zum PSG III, BT-Drs. 18/10510 S. 115).
Rz. 15
Der Vergleich setzt zunächst vergleichbare Leistungserbringer voraus. Leistungserbringer sind vergleichbar, soweit diese für einen gleichen Personenkreis von Leistungsberechtigten ein weitgehend inhaltsgleiches Leistungsangebot vorhalten. Leistungserbringer, die andere Leistungen für die gleiche Personengruppe erbringen bzw. Leistungserbringer, deren Angebot sich an Personengruppen richtet, die andere Leistungen benötigen, sind nicht vergleichbar (vgl. Beschlussempfehlung Arbeits- und Sozialausschuss des Deutschen Bundestages, BT-Drs. 18/10523 S. 61 f.).
Für die Beurteilung der Frage, ob der höhere Personalkostenaufwand auf die Tarifbindung zurückgeht, hat der Leistungsanbieter nach § 126 Abs. 1 Satz 4 dem Träger der Eingliederungshilfe auch im Rahmen des externen Vergleichs die Gründe nachvollziehbar und plausibel dazulegen, die die höhere Vergütung angemessen erscheinen lassen (vgl. Komm. zu § 126). Wahrendorf weißt hierbei zu Recht auf die Problematik einer sachgerechten Beurteilung der Eingruppierung hin. Selbst wenn die Schiedsstelle bei der Vergütung des bei einem Leistungserbringer beschäftigten Personals über die Tarifverträge informiert wird, besagt der Tarifvertrag als solcher wenig. Es kommt auf die Eingruppierung und Einstufung der Beschäftigten an, um sachgerechte Vergleiche anstellen zu können. Er bezweifelt, ob andere Leistungserbringer als die den Antrag vor der Schiedsstelle stellende Vertragspartei bereit sind, nähere Angaben zu machen, datenschutzrechtliche Restriktionen ganz ausgeblendet (Wahrendorf, KV 2016 S. 221, 226).