0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist durch Art. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) mit Wirkung zum 1.1.2020 in das SGB IX eingefügt worden.
1 Allgemeines
Rz. 2
Mit dem BTHG sind mit der Überführung der Eingliederungshilfe aus dem SGB XII in den Teil 2 des SGB IX die Regelungen zum Einsatz von Einkommen und Vermögen neu konzipiert worden. Es ist ein grundlegender Systemwechsel mit einer ausgewogenen Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit gerade von erwerbstätigen Menschen mit Behinderungen erfolgt. Die Neuregelung führt dazu, dass insbesondere diejenigen Menschen mit Behinderungen stärker entlastet werden, die bisher trotz niedriger Einkommen einen Eigenanteil an den Leistungen tragen mussten.
Mit dem Inkrafttreten des Teils 2 SGB IX wird nicht mehr ein Einsatz des Einkommens verlangt, das über einer individuell festzusetzenden Einkommensgrenze liegt, sondern es wird ab einem bestimmten Einkommen, das oberhalb der bisherigen Einkommensgrenze nach dem SGB XII liegt, ein Eigenbeitrag gefordert.
Rz. 3
Die Festsetzung dieser Beträge ist unter Beachtung der bisherigen durchschnittlichen Einkommenssituation der Leistungsbezieher von Eingliederungshilfe, ihres bisherigen Einkommenseinsatzes und einer ausgewogenen Erhöhung der Einkommensgrenzen unter Berücksichtigung der Höhe der öffentlichen Mittel, die für eine Verbesserung der Situation von Menschen mit Behinderungen zur Verfügung stehen, erfolgt. Die Situation der steuerlichen und abgaberechtlichen Position des Leistungsbeziehers wurde ebenso berücksichtigt.
Die für die Einkommenssituation maßgeblichen Bruttoeinkünfte wurden aufgrund von Daten des Bundesministeriums für Finanzen ermittelt. Die Einkommensgrenze, ab der eine Heranziehung mit Beiträgen erfolgt, wurde auf diese Weise bestimmt. Die Anknüpfung an den Begriff der "Summe der Einkünfte" berücksichtigt die individuellen Werbungskosten und Betriebsausgaben. Somit wird auch ein mit der Einkommenserzielung verbundener höherer Aufwand berücksichtigt. Zudem werden so die steuerlichen Vorteile (Nachteilsausgleiche) nicht wie bisher von der Einkommensregelung der Eingliederungshilfe im SGB XII aufgezehrt. Mit der Regelung, dass der Eigenbeitrag sich nach dem Einkommen i. S. des Einkommensteuergesetzes richtet, wird die Inanspruchnahme von Einkommen pauschaliert. Der geforderte Eigenbeitrag ist linear so gestaffelt, dass in durchschnittlichen Fällen im Vergleich zum alten Recht eine deutliche Besserstellung erfolgt.
Rz. 4
Durch die Ableitung der für die Bemessung des Eigenbeitrags ausschlaggebenden Beträge von der Sozialversicherungsbezugsgröße unterliegen diese automatisch einer Dynamisierung.
2 Rechtspraxis
2.1 Maßgebender Zeitraum (Abs. 1)
Rz. 5
Abs. 1 regelt die Definition des Einkommens, das für den aufzubringenden Eigenbeitrag zugrunde zu legen ist. Durch den Bezug zum Einkommensteuergesetz und die Zugrundelegung des Einkommens des Vorvorjahres wird die Nachweispflicht im Wesentlichen auf den Einkommensteuerbescheid konzentriert und somit vereinfacht. Gleichzeitig werden z. B. hohe Werbungskosten, die erhebliche Auswirkungen auf das Nettoeinkommen haben, dadurch erfasst, dass diese bei der "Summe der Einkünfte" bereits berücksichtigt sind. Das können etwa Kosten für tägliche Fahrten zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte (Entfernungspauschale) sein. Bestehende Steuervorteile (etwa die Pauschbeträge für behinderte und schwerbehinderte Menschen nach § 33b des Einkommensteuergesetzes) kommen den Betroffenen zugute.
2.2 Einkommensermittlung des aktuellen Jahres (Abs. 2)
Rz. 6
Eine Anknüpfung an das Vorvorjahr kann dazu führen, dass durch eine erhebliche Einkommensveränderung ein unzutreffender Beitrag gefordert würde. Das kann z. B. bei Arbeitslosigkeit, bei Rentenbeginn oder bei einem Wechsel des Arbeitsverhältnisses von Vollzeit- in Teilzeitbeschäftigung der Fall sein. In diesen Fällen ist eine Einkommensermittlung des aktuellen Jahres entsprechend der Regelung des Abs. 1 durchzuführen. Auch in den Fällen, in denen im Jahre des Leistungsfalles erstmalig eine Beschäftigung aufgenommen wird, ist die Einkommensermittlung nach den Daten des laufenden Jahres vorzunehmen. Nicht erfasst werden sollen dagegen, so die Auffassung des Gesetzgebers in der Begründung zu § 135 Abs. 2 (BT-Drs. 18/9522) reine Veränderungen bzw. Schwankungen des Einkommens bei unveränderter Beschäftigungssituation.