0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Mit Inkrafttreten des Art. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) wird der bisherige § 129 mit Wirkung zum 1.1.2018 zu § 212. Die Vorschrift entspricht inhaltlich dem bisherigen § 129.
1 Allgemeines
Rz. 1a
Die Vorschrift bestimmt, dass schwerbehinderten Menschen bei unabhängigen Tätigkeiten, für deren Ausübung eine Zulassung erforderlich ist, eine solche Zulassung bevorzugt erteilt werden soll.
2 Rechtspraxis
2.1 Voraussetzung
Rz. 2
Voraussetzung für eine Bevorzugung ist, dass die fachliche Eignung sowie die für die Ausübung der entsprechenden selbständigen Tätigkeit geforderten gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Eine fachliche Eignung kann beispielsweise ein bestimmter schulischer Abschluss oder eine universitäre Ausbildung sein. Eine gesetzliche Voraussetzung kann darin bestehen, dass bestimmte unabhängige Tätigkeiten nur von deutschen Staatsangehörigen ausgeübt werden dürfen. Ohne die Erfüllung solcher fachlicher oder gesetzlicher Voraussetzungen können auch schwerbehinderte Menschen keine Zulassung erhalten.
Rz. 3
Auf bevorzugte Erteilung hat der schwerbehinderte Mensch keinen Rechtsanspruch ("ist zu erteilen"). Bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen hat die eine Zulassung erteilende Stelle einen gewissen Ermessensspielraum ("soll erteilt werden"). Die Formulierung als Soll-Vorschrift führt aber im Ergebnis im Regelfall zur Erteilung einer solchen Zulassung, da nur ein besonderer sachlicher Grund eine Abweichung begründen könnte.
2.2 Geltungsbereich für Gleichgestellte
Rz. 4
Von der Vorschrift begünstigt ist nur der Personenkreis schwerbehinderter Menschen, daneben nur diejenigen behinderten Menschen mit einem Grad der Behinderung von wenigstens 30, die zum Zeitpunkt des Begehrens einer bevorzugten Zulassung bereits schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind (§ 2 Abs. 3). Eine Gleichstellung zum Zwecke der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit kann nicht ausgesprochen werden, da sie ausdrücklich auf die Erlangung oder Erhaltung eines Arbeitsplatzes i. S. d. § 156 Abs. 1 beschränkt ist.
3.3 Finanzielle Leistungen
Rz. 5
Für die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit können auch Leistungen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben erbracht werden. So sieht § 185 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. c die Gewährung von Hilfen zur Gründung und Erhaltung einer selbständigen beruflichen Existenz vor. Diese Leistung ist konkretisiert in § 21 Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung (SchwbAV) v. 28.3.1988 (BGBl. I S. 484), zuletzt geändert durch Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen v. 23.4.2004 (BGBl. I S. 606). Daneben können, dies ergibt sich ebenfalls aus dieser Vorschrift, Leistungen für technische Arbeitshilfen, Hilfen zum Erreichen des Arbeitsplatzes, Hilfen zur Beschaffung, Ausstattung und Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung, Hilfen zur Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten, Hilfen in besonderen Lebenslagen und Leistungen bei außergewöhnlichen Belastungen erbracht werden (§§ 19, 20, 22, 24, 25, 27 SchwbAV).
Durch die Dritte Verordnung zur Änderung der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung v. 16.1.2004 (BGBl. I S. 77) ist § 21 Abs. 4 mit Wirkung zum 1.1.2004 geändert worden. Seitdem gehören auch die Leistungen zur behinderungsgerechten Einrichtung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen für schwerbehinderte Menschen (§ 26) zu den Leistungen, die auch zur Ausübung oder Aufnahme einer selbständigen Existenz erbracht werden können. Bis zum 31.12.2003 war die Anwendung des § 26 durch die Formulierung, nach der "die §§ 22 bis 25 sowie 27" entsprechend anzuwenden seien, ausgeschlossen. Durch die Änderung ist in § 21 Abs. 4 die Angabe "25 sowie" gestrichen worden, nunmehr ist die Anwendung von Vorschriften auf "die §§ 22 bis 27" ausgeweitet, schließt also die Anwendung des § 26 ausdrücklich ein.