Rz. 3

Abs. 1 Satz 1 beschreibt ganz allgemein den Inhalt der Beratung von Ärzten gegenüber Sorgeberechtigten, wenn ihnen eine Person i. S. d. § 33 vorgestellt wird. Die Beratung soll nicht nur dann erfolgen, wenn Sorgeberechtigte im Zusammenhang mit einer (drohenden) Behinderung einen Arzt aufsuchen, sondern auch dann, wenn sie selbst eine solche (drohende) Behinderung während ihrer Anamnese bzw. Untersuchung feststellen. Die Beratung ist auf die geeigneten Leistungen zur Teilhabe zu richten, d. h. auf alle in §§ 4 ff. genannten Sozialleistungen zur medizinischen Rehabilitation, Teilhabe am Arbeitsleben, Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und auf unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen i. S. d. § 5. Die besondere Rolle der Ärzte liegt darin, dass sie im Gegensatz zu den anderen genannten Berufsgruppen in § 34 eine Beratungspflicht haben. Die Beratungspflicht geht regelmäßig, bezogen auf Umfang und Tiefe, über eine Hinweispflicht nach Abs. 2 oder eine Empfehlung nach Abs. 3 hinaus. Welche Rehabilitationsleistungen dann tatsächlich in Frage kommen, obliegt jedoch dem Rehabilitationsträger. Dabei hat der Leistungsträger jedoch das nach § 8 Abs. 1 bestehende Wunsch- und Wahlrecht des Leistungsberechtigten bzw. des Sorgeberechtigten zu beachten.

Die Beratung durch Ärzteerstreckt sich nicht nur auf ärztliche Maßnahmen, sondern auch auf andere Leistungen, die der Eingliederung dienen können. Bestandteil der Beratung ist die Pflicht des angegangenen Arztes, auf die Möglichkeit der Beratung durch eine Beratungsstelle für Rehabilitation gemäß § 32 hinzuweisen. Diese Hinweispflicht obliegt dem Arzt ebenso bei Menschen, bei denen der Eintritt einer Behinderung nach allgemeiner ärztlicher Erkenntnis zu erwarten ist. Dies sind alle von einer Behinderung bedrohten Menschen i. S. d. § 2 Abs. 1 Satz 3. Besonders hohe Anforderungen an eine spezielle fachliche Kompetenz von Ärzten sind hierdurch an deren Wahrnehmungsfähigkeit nicht gestellt.

 

Rz. 4

Neben der Pflicht, die Personensorgeberechtigten auf das Beratungsangebot der Beratungsstellen für Rehabilitation hinzuweisen, obliegt den Ärzten auch die Pflicht, werdende Eltern auf ihren Beratungsanspruch bei den Schwangerschaftsberatungsstellen hinzuweisen. Bei diesen Stellen handelt es sich um anerkannte Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen i. S. des Gesetzes zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten (Schwangerschaftskonfliktberatungsgesetz – SchKG) v. 27.7.1992 (BGBl. I S. 1398). Mit dieser Rechtspflicht soll der Arzt auf eine Beratung hinweisen, die Schwangerschaftsabbrüchen entgegenwirkt. Dies folgt schon aus dem Umstand, dass eine Behinderung des ungeborenen Kindes niemals zu einer Minderung des Lebensschutzes führen kann und daher folgerichtig auch eine embryopathische Indikation nach Maßgabe des § 218a Abs. 2 und 3 StGB i. d. F. des Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetzes (SFHÄndG) v. 21.8.1995 (BGBl. I S. 1050) nicht mehr die Rechtmäßigkeit eines Schwangerschaftsabbruchs begründen kann. Dies folgt auch aus der klaren Regelung des § 219 StGB, wonach die Beratung einer schwangeren Frau dem Schutz des ungeborenen Lebens dient und von dem Bemühen geleitet sein muss, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen und ihr Perspektiven für ein Leben mit dem Kind zu eröffnen.

 

Rz. 5

Aus den in Abs. 1 ausdrücklich genannten Hinweispflichten folgt, dass der Arzt zu einer eigenständigen Beratung der Personensorgeberechtigten zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet ist. Diese alternative eigenständige Beratungspflicht sah § 125 Abs. 1 BSHG noch vor. Damit hat der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung getragen, dass vielfach allenfalls ein Facharzt die spezielle Fachberatung zur Teilhabe behinderter Menschen durchführen kann und für Allgemeinmediziner schon in der Vergangenheit der Hinweis auf die entsprechenden Fachberatungsstellen empfehlenswert war (vgl. Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG 1997, § 125 Rz. 6; Meusinger, in: Fichtner, BSHG 1999, § 125, Rz. 2). Wegen der haftungsrechtlichen Folgen einer durch unterlassene, unzureichende oder fehlerhafte Beratung verursachten Schädigung des behinderten Menschen ist die Verweisung auf eine vertiefte Fachberatung auch insoweit für den Arzt empfehlenswert. Aufgrund der verschiedenen klinischen Fächer und der damit einhergehenden Facharztrichtungen kann der Beratungsumfang sowie die -tiefe nicht mit der nach § 14 SGB I durch den Leistungsträger verglichen werden. Gerade die Vielschichtigkeit der Rehabilitationsleistungen ist nicht von jedem Arzt in gleicher Beratungstiefe zu erwarten.

 

Rz. 6

Abweichend von der noch in § 125 Abs. 1 HS 2 BSHG geregelten Pflicht des Arztes zur Aushändigung eines amtlichen Merkblatts über die Möglichkeiten gesetzlicher Hilfe enthält Abs. 1 eine solche spezifische formalisierte Informationspflicht nicht mehr. Durch die Aushändigung eines allgemeinen Merkblatts (vgl. dessen Inhalt bei Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG 1997, Teil C VIII, Verwaltungsvorschrift des Bundesminis...

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